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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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mein Blut zu beleidigen. Wir waren bereits Könige von Connord, ehe wir in die Markenlande kamen, und ehe wir Könige wurden, waren wir Stammesfürsten.«
    Der Autarch schien amüsiert. »Ach ja, kein Makel? Weder des Gemüts noch des Körpers? Nun gut, dann will ich Euch erzählen, was ich herausgefunden habe. Wenn Ihr danach immer noch sagt, ich hätte unrecht — oh, bei meinem Wort, dann werde ich mich vielleicht sogar entschuldigen. Das wäre doch unterhaltsam, oder, Vash?«
    Der Oberste Minister hatte keine Ahnung, was Sulepis von ihm hören wollte, aber sein Gebieter wartete eindeutig auf eine Antwort. »Überaus unterhaltsam, o Goldener. Aber auch überaus unwahrscheinlich.«
    »Doch lasst mich Euch zunächst ein wenig von meiner eigenen Reise erzählen, Olin. Vielleicht gibt Euch das ja eine gewisse Vorstellung, was ich meine. Euch wird das auch interessieren, Vash. Niemand in ganz Xis hat diese Geschichte je gehört, außer Panhyssir.«
    Der Name seines Rivalen war wie eine glühende Kohle, die ihm in den Halsausschnitt gesteckt wurde, doch Vash tat sein Bestes, dankbar zu lächeln. Wenigstens war der Oberpriester nicht anwesend, sonst wäre die Demütigung noch qualvoller gewesen. »Ich lausche begierig jeder Weisheit, die mein Gebieter mitzuteilen wünscht.«
    »Das will ich doch meinen.« Sulepis schien seinen Spaß zu haben: Sein langknochiges Gesicht verzog sich immer wieder zu einem breiten Krokodilsgrinsen, und seine ungewöhnlichen Augen schienen noch lebendiger als sonst. »Das will ich doch wohl meinen.
    Ich wusste schon als kleines Kind, dass ich anders war als andere Kinder. Nicht deshalb, weil ich der Sohn eines Autarchen war, ich wuchs ja mit Dutzenden anderer Jungen auf, die von sich dasselbe behaupten konnten. Doch schon früh hörte und sah ich Dinge, die andere nicht hörten oder sahen. Nach einer gewissen Zeit erkannte ich, dass ich, anders als alle meine Brüder, die Präsenz der Götter tatsächlich spüren konnte. Natürlich behauptet jeder Autarch, die Götter sprechen zu hören, aber mir war klar, dass das selbst bei meinem Vater Parnad nur leere Worte waren. Nicht so bei mir.
    Aber das war doch seltsam! Wir waren doch alle Kinder des Gottes-auf-Erden, die anderen Autarchensöhne und ich — aber nur ich spürte die Präsenz der Götter! Und noch seltsamer, außer dieser kleinen Gabe hatte ich keine besondere Fähigkeit. Die Götter hatten mir nicht mehr Kraft gegeben als anderen Sterblichen, kein längeres Leben, nichts! Und dasselbe galt offensichtlich auch für meinen Vater und alle seine anderen Erben. Der Autarch von Xis war nichts als ein gewöhnlicher Mensch! Sein Blut war gewöhnliches Blut. Alles, was man uns gelehrt hatte, war gelogen, doch nur ich hatte den Mut, es mir einzugestehen.«
    Noch nie hatte Vash solch blasphemische Äußerungen gehört — und sie kamen vom Autarchen selbst! Was hieß das? Wie hatte er zu reagieren? So gleichgültig ihm Religion auch war — außer insofern, als sie den steten Herzschlag der xixischen Hofetikette bildete —, zuckte Vash doch unwillkürlich zusammen, weil er das Gefühl hatte, jeden Moment könnte der große Gott selbst sie alle mit seinen feurigen Strahlen fällen. Offensichtlich war seine Besorgnis, was den Geisteszustand des Autarchen betraf, voll und ganz berechtigt gewesen!
    »Also nahm ich mir vor, mehr darüber in Erfahrung zu bringen«, fuhr Sulepis fort, »sowohl über das Blut der Götter als auch über die Geschichte meiner eigenen Familie.
    Zunächst verbrachte ich meine Tage damit, die großen Bibliotheken des Obstgartenpalastes auszuschöpfen. Ich erfuhr, dass, ehe meine Vorfahren aus der Wüste herangestürmt waren, um sich des xixischen Throns zu bemächtigen, die Stadt von anderen Familien regiert worden war, die sich auf die Verwandtschaft mit anderen Göttern beriefen. Je weiter ich zurückging, desto gottähnlicher wurden die Mitglieder dieser Familien dargestellt. Lag das daran, dass sie ihren göttlichen Ahnen noch näher waren als wir Menschen von heute, sodass das göttliche Blut noch unverdünnter in ihren Adern floss? Oder waren die Geschichten über sie einfach mit den Jahren ausgeschmückt worden? Wenn nun diese frühen Herrscher, die sich für Abkömmlinge Argals oder Xergals ausgaben, nicht minder sterblich gewesen waren als die dumpfen Geschöpfe, die im Palast um mich herum aufwuchsen — nicht minder sterblich als mein Vater? Parnad mochte ja grimmig und listig sein, aber ich hatte längst

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