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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Formen, die sich immer wiederholten, bis sie insgesamt ein dunkler Sternenausbruch aus vielfältigem Schwarz und Dunkelgrau wurden.
    »Keine zweitausend ... in dieser ganzen Stadt?« Barrick war verblüfft — Tessis oder Hierosol allein musste schon das Hundertfache an Einwohnern haben.
    Die meisten sind in den Krieg gezogen,
erklärte Ynnir.
Gegen dein Volk, genau gesagt. Ich bezweifle, dass jemand von ihnen zurückkehrt. Yasammez' Bitterkeit ist zu alt und zu tief ...
    Der Name und die jähe Erinnerung an die furchterregende Frau in Schwarz veranlassten Barrick, stehenzubleiben und unter sein Hemd zu greifen. »Ich habe ihn!«, sagte er und versuchte, den Beutel herauszuziehen. »Den Spiegel ...«
    Ynnir hob eine magere Hand.
Ich weiß. Ich fühle ihn wie ein glühendes Brandeisen. Und wir werden ihn auch benutzen, um die Hitze der Feuerblume wiederherzustellen. Aber gib ihn mir noch nicht.
    Ein Schwall von Gedanken schoss durch Barricks Kopf, schwemmten sich gegenseitig hinweg, ehe Barrick sie näher betrachten konnte. »Warum sind wir ... warum seid Ihr?« Er hielt verwirrt inne: Einen Moment lang hatte er vergessen, wo er war — ja sogar,
wer
er war. »Warum sind die Qar mit Südmark im Krieg?«
    Weil deine Familie meine vernichtet hat,
antwortete der König ohne erkennbare Boshaftigkeit.
Obwohl man auch sagen könnte, dass unsere Familie sich selbst vernichtet. Nun sei bitte still, Kind. Wir sind jetzt in der Vorkammer.
    Noch ehe Barrick mit dem, was der zerlumpte König da gerade gesagt hatte, irgendetwas anfangen konnte, traten sie aus dem schummrigen, aber beinah normalen Licht des Gangs in einen Raum, der aus Fels gehöhlt schien, mit langen Bändern aus hellem Stein, die sich zwischen Decke und Boden spannten wie Spinnweben — das alles ungeachtet der Tatsache, dass sie sich immer noch mitten in dem riesigen Palast befanden. »Was ist das hier?«, fragte er.
    Der König hob die Hand.
Vorerst keine Fragen mehr, Menschenkind. Ich muss vorgehen und die Rituale allein befolgen — die Zelebranten mögen Sterbliche nicht sonderlich. Außerdem bist du noch nicht bereit, solche Dinge
zu
sehen — nicht mit deinen eigenen Augen und deinem eigenen Denken. Bleib hier, ich werde dich holen kommen.
    Der König trat in einen dunklen Bereich an der Wand und war weg. Barrick tat ein paar Schritte, um die Stelle zu inspizieren, wo Ynnir verschwunden war. War es eine Tür? Es sah einfach nur aus wie ein Schatten.
    Er wartete in dem steinernen Gelass, schrecklich lange, wie ihm schien, und lauschte den leisen, körperlosen Stimmen, die hier überall zu sein schienen. Der König hatte ihn praktisch einen Mörder genannt, oder jedenfalls hatte er seine Familie des Mordes beschuldigt, und doch hatte er Barrick wie einen geschätzten Gast behandelt. Wie konnte das sein? Und der Spiegel, den er so lange bei sich getragen und durch so viele Gefahren gebracht hatte — warum hatte ihn der König ihm nicht einfach abgenommen? Wenn Menschen Ynnirs Feinde waren, warum vertraute er Barrick dann weiterhin einen Gegenstand an, für den der Krieger Gyir sein Leben geopfert hatte?
    Verwirrung und Langeweile waren schließlich stärker als Barricks Geduld. Er ging wieder zu der Stelle, wo der König verschwunden war, und horchte, hörte aber nichts: Wenn es eine Tür war, dann war dahinter nur Stille. Er streckte den Arm aus und fühlte ihn kalt werden, aber nichts hinderte ihn, also trat er selbst in den kalten Schatten.
    Kurz — ganz kurz nur — war es wieder so, wie durch die Tür in Krummlingshall zu fallen, und er bekam Angst, etwas schrecklich Dummes getan zu haben. Dann wurde das Dunkel zu wirbelndem Grau, und er erkannte eine weiße Gestalt, zerlumpt und flatternd, umringt von einem Wirbel von Schatten wie ein Mensch, den wütende Vögel verfolgen. Die weiße Gestalt war Ynnir, der die Hände erhoben und den Mund offen hatte, als ob er um Hilfe rief oder ... oder sang. Die schwarzen Schemen wirbelten und schossen um ihn herum. Barrick hörte ein Fetzchen der klagenden, anderweltlichen Melodie, ehe er merkte, dass einer der umherschießenden Schatten sich vom König gelöst hatte und auf ihn zukam. Mit hämmerndem Herzen trat er wieder in das kalte Dunkel zurück, flüchtete sich in das leere steinerne Gelass, doch dort angelangt, zitterte er am ganzen Leibe und war mit kaltem Schweiß bedeckt.

    Du musst dich vor Zsan-san-sis verbeugen,
erklärte ihm Ynnir, als er zurückkam. Wenn er Barricks eigenmächtiges Eintreten vorhin

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