Die Daemmerung
bemerkt hatte, sprach er es nicht an.
Er ist viel älter als ich, in gewissem Sinne zumindest, und seine Loyalität
zur
Feuerblume ist über jeden Zweifel erhaben.
Der König legte Barrick eine kalte Hand auf die Schulter und dirigierte ihn zu der dunklen Tür.
Diesmal schien der Raum dahinter anders, kein Wirrwarr von Grautönen, sondern schattendunkel und tief, mit einem gelbgrünen Glimmen am anderen Ende als einziger Lichtquelle. Im Weitergehen erkannte Barrick erschrocken, dass das Glimmen aus der Kapuze einer dunklen Gestalt kam, die dort stand wie eine Statue. Dann hob sich der kapuzenvermummte Kopf, und kurz sah Barrick ein strenges, silbernes Gesicht —
eine Maske,
dachte Barrick,
es muss irgendeine Art von Maske sein —,
aus dessen Nasenlöchern, Augen und Mund grünes Licht drang. Die Kreatur hob den Arm, wie um sie zu begrüßen, und für einen Moment erglühte ein sechszackiger Stern von grünem Licht am Ende des Ärmels.
Das
ist Zsan-san-sis,
sagte Ynnir überflüssigerweise.
Barrick verbeugte sich, so tief er konnte. Das war weit angenehmer, als wieder in dieses gespenstische Leuchten blicken zu müssen.
Worte wurden gesprochen, oder zumindest meinte Barrick, Flüstern zu hören, nicht wirklich Worte, sondern Zischen und leises Blubbern. Dann schien die leuchtende Kreatur in sich zusammenzuschrumpfen und zu verschwinden. Die Wände um sie herum lösten sich auf, und der König führte ihn weiter, in einen Raum, dessen Wände, Fußboden und Decke mit schwachen, in ständiger Bewegung befindlichen Pünktchen von buntem Licht bedeckt schienen, sodass es war, als erhellten tausend winzige Kerzen das Dunkel.
Trotz des Gefunkels wurde Barricks Blick sofort von der Gestalt in der Mitte des kleinen, niedrigen Raums angezogen, einer Frau, die auf einem ovalen Bett lag, als schliefe sie. Weil sie so bleich und reglos war, hielt er sie zuerst für eine Statue, doch als ihn der König näher heranführte, wurde Barricks Herz schwer und kalt. Sie musste tot sein, diese dunkelhaarige Frau mit den seltsam eckigen Zügen — er war doch zu spät gekommen. Es war ein Leichnam, ein wunderschöner, majestätischer Leichnam, eine aufgebahrte Königin.
»Es tut mir so leid, Herr ...« Er nahm den Spiegel aus dem Lederbeutel und hielt ihn dem blinden König hin.
Sie lebt noch.
Die Gedanken des Königs waren sanft wie fallender Schnee. Seine langen Finger schlossen sich um den Spiegel, und er hielt ihn sich vors Gesicht, als wollte er ihn mit seinen blinden Augen durch die Tuchbinde inspizieren. Er runzelte kurz die Stirn.
Etwas stimmt nicht,
sagte er leise.
Etwas fehlt.
Barrick wurde von innen her kalt. »Herr?«
Der König seufzte.
Ich hatte mehr erwartet, Menschenkind, auch wenn der Handfertige seinem Ende so nahe ist. Dieses Weltalter steht und fällt mit dem, was wir hier in Händen halten, dem, was er uns an Essenz gegeben hat. Wir haben keine andere Wahl, als es
zu
benutzen und
zu
beten, dass der Makel nicht
zu
groß ist.
Der König hauchte auf den Spiegel und legte ihn der Königin auf die Brust.
Eine ganze Weile schien nichts zu passieren. Das unstete Licht der Kammer flackerte lautlos, die Luft schien komprimiert wie angehaltener Atem. Dann verzerrte sich das Gesicht der Königin zu etwas, das eine Grimasse des Schmerzes schien, und sie schnappte nach Luft. Ihre Augen — unendlich schwarz und tief — gingen für einen Moment auf, und ihr Blick glitt von Barrick zu Ynnir, ruhte auf diesem. Dann schien sie, wie ein Ertrinkender, der noch ein letztes Mal aufgetaucht ist und Atem geholt hat, ehe er für immer aufgibt, in die Bewusstlosigkeit zurückzusinken. Ihre Lider flatterten und fielen zu, ihre Hand, die sich in Richtung ihrer Brust bewegt hatte, wie um den Spiegel zu berühren, fiel aufs Bett zurück.
Barrick war zum Heulen zumute, doch der Schmerz war zu kalt und zu steinern für Tränen. Er hatte versagt. Wie war er oder sonst jemand auf den Gedanken gekommen, es könnte anders enden?
Der König senkte den Kopf und kniete eine ganze Weile schweigend neben der Königin. Dann streckte er eine nur leicht zitternde Hand aus und nahm den Spiegel von ihrer Brust. Er hielt ihn hoch, wie um ihn abermals zu inspizieren, und warf dann den Gegenstand fort, den zuerst Gyir und dann Barrick so lange durch die Lande getragen hatten! Als der Spiegel durch den Raum schepperte, brach an den Wänden Bewegung aus, und Barrick erkannte jetzt erst, dass die glimmenden Schuppen an Wänden und Decke Käfer waren,
Weitere Kostenlose Bücher