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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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gestellt hatte.
    Harsar zeigte auf ein einfaches Bett mit einem schlichten Holzgestell. »Ihr könnt Euch ausruhen. Der König wird mit Euch sprechen, wenn er so weit ist. Ich werde Euch etwas zu essen und zu trinken bringen.«
    Ehe Barrick irgendetwas fragen konnte, hatte sich sein Führer abgewandt und verschwand, umtollt von seiner seltsamen kleinen Meute, zur Tür hinaus.
    Unter anderen Umständen hätte sich Barrick wohl in diesem Raum umgesehen, der so heimelig und gleichzeitig so fremd war, doch er konnte sich keinen Moment länger auf den Beinen halten. Er legte sich hin und ließ sich in das weiche Lager sinken wie ein Frierender in ein heißes Bad. Augenblicke später hatte ihn der Schlaf übermannt.
    Als Barrick aufwachte, lag er erst einmal still da und versuchte sich zu erinnern, wo er war. Seine Träume waren gedämpft und friedvoll gewesen, wie ferne Musik. Er drehte sich um und setzte sich auf, merkte dann erst, dass er nicht allein im Zimmer war.
    Auf einem hochlehnigen Stuhl ein kleines Stück weiter saß ein Mann — er sah jedenfalls aus wie ein Menschenmann, war aber natürlich keiner, nicht hier an diesem Ort. Sein langes, glattes, weißes Haar war durch eine Augenbinde an den Kopf gepresst. Er trug keinerlei Insignien, keine Krone, kein Szepter, kein Staatsemblem — ja seine grauen Kleider waren so zerschlissen wie Raemon Becks Flickengewand —, aber seine Haltung und sein feierlicher Ernst sagten Barrick, wen er da vor sich hatte.
    Hast du geruht?
Die Worte des blinden Königs erklangen in Barricks Kopf, so melodisch wie Wasser, das in ein Bassin plätschert.
Hier, Harsar hat dir etwas zu essen hingestellt.
    Barrick hatte bereits den verlockenden Duft des Brots gerochen und erhob sich eilig vom Bett. Auf einem Tischchen stand ein Teller mit vielen herrlichen Sachen darauf — einem runden Brotlaib, einem Topf Honig, dicken blauen Trauben und anderen kleinen Früchten, die er nicht kannte, sowie einer Ecke von cremigem, hellem Käse. Er hatte schon angefangen, das Essen in sich hineinzustopfen — nach einer vorwiegend aus Wurzeln und sauren Beeren bestehenden Diät schmeckte alles unendlich köstlich —, als ihm plötzlich der Gedanke kam, dass es ja vielleicht für sie beide bestimmt war.
    Nein,
sagte der König, als Barrick gerade fragen wollte.
Ich esse dieser Tage kaum etwas — das wäre, wie einen ganzen Kiefernstamm auf ein paar halberloschene Kohlen
zu
werfen und
zu
erwarten, dass er brennt.
Der König gab ein kleines Lachen von sich, das Barrick tatsächlich mit den Ohren hörte — es fühlte sich an wie eine Schneeböe. Dann war er still, bis Barrick auch die Käserinde verschlungen hatte und mit dem letzten Stück Brot den Teller abwischte.
    Nun denn,
sagte der König.
Ich bin
Ynnir
din'at sen-Qin. Willkommen im Haus des Volkes, Barrick Eddon.
    Barrick ging auf, dass er sich gar nicht verbeugt oder dieser imposanten Gestalt auf irgendeine andere Art seine Ehrerbietung bezeugt hatte; er hatte nur daran gedacht, sich den Magen vollzuschlagen. Er wischte sich die klebrigen Finger an den Kleidern ab und ging auf die Knie. »Danke. Ich habe Euch in meinen Träumen gesehen, Majestät.«
    Solche Titel sind mir nicht gemäß. Und die, die mein Volk benutzt, wären dir nicht gemäß. Nenn mich
Ynnir.
    »Das ... kann ich nicht.« Es war die Wahrheit. Es wäre für ihn, wie seinen Vater mit Vornamen anzusprechen.
    Der König lächelte wieder — der blasse Geist eines belustigten Lächelns.
Dann kannst du mich vielleicht »Herr« nennen, so wie Harsar. Du hast jetzt geschlafen und gegessen. Also bleibt noch eines, ehe unsere Gastgeberpflichten gänzlich erfüllt sind.
    »Was meint Ihr?«
    Wenn du nach nebenan gehst, findest du heißes Wasser und eine Wanne. Es erfordert keine besondere Beobachtungsgabe
zu
bemerken, dass du geraume Zeit nicht mehr gebadet hast.
Der König hob die Hand und winkte ihn mit seinen schlanken Fingern weg.
Geh. Ich warte hier Ich bin immer noch müde, und wir haben weit zu laufen.
    Barrick fand die Tür in der gegenüberliegenden Wand und wollte sie gerade öffnen, als ihm etwas einfiel.
    »Bei den Göttern, fast hätte ich's vergessen?« Er zögerte, fragte sich, ob es Blasphemie war, hier an diesem Ort die Götter zu erwähnen, aber der König schien nichts bemerkt zu haben. »Ich habe Euch etwas mitgebracht, Herr, von Gyir Sturmlicht — etwas sehr Wichtiges!«
    Ynnir hob wieder die Hand.
Ich weiß. Und du wirst deinen Auftrag
zu
Ende führen, Menschenkind —

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