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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie auch wirklich einer. Doch dann stößt sie auf eine andere, größere Straße — nicht so groß wie die, die wir bisher genommen haben, aber doch eine richtige Straße, nicht nur ein Fahrweg —, die durch das äußerste Ende des Waldes führt. Auf der anderen Seite liegt ein Soterianerkloster, wir müssen also wahrscheinlich nur eine Nacht im Wald verbringen und finden dann am nächsten Tag im Kloster Aufnahme, Wärme und etwas zu essen.«
    »Durchs äußerste Ende des Schwarzwasserwaldes?«, fragte Dowan Birk. Es war das Erste, was der Riese sagte.
    »Ja«, antwortete der Stückeschreiber. »Natürlich.«
    »Der reicht so weit nach Westen, dass wir ihn in einem Tag erreichen können? Das wusste ich gar nicht.« Sein langes Gesicht war beunruhigt. »Das ist keine gute Gegend, Finn. Der Wald ist voller ... schlimmer Dinge.«
    »Wovon spricht er?«, wollte Pedder Makswell wissen. »Was für schlimme Dinge? Wölfe? Bären?«
    Aber Dowan schüttelte nur den Kopf und wollte nicht mehr sagen.
    »Wir werden gerade mal eine Nacht in dem Wald sein«, sagte Finn. »Wir sind fast ein Dutzend und haben Waffen und Feuer. Wir haben sogar Proviant, brauchen also nicht mal auf Nahrungssuche zu gehen. Wir werden zusammenbleiben, und alles wird in Ordnung sein — in allerbester Ordnung sogar. Dowan, wollt Ihr wirklich, dass wir unser Glück überstrapazieren, indem wir den Soldaten des Königs genau in die Arme laufen?«
    Ein paar andere versuchten, aus Birk herauszubekommen, was er befürchtete, aber der Riese war zu keiner Erklärung zu bewegen. Schließlich stimmten in Ermangelung einer besseren Idee alle für Finns Plan.

    Sie erreichten den Abzweig am nächsten Tag, ehe die Sonne hoch stand. Es waren noch ein paar andere Leute unterwegs, hauptsächlich Bauern aus der Gegend, und alle beobachteten erstaunt und neugierig, wie Makswells Truppe von der Hauptstraße auf den holprigen Feldweg abbog.
    Seit einigen Tagen schon war die Landschaft immer wilder geworden, doch jetzt war das plötzlich zehnmal so offensichtlich. Die große Königliche Straße hatte meist durch freies Gelände geführt, und selbst wo es nicht so war, hatte ihre schiere Breite bedeutet, dass die Bäume auf der einen und die auf der anderen Seite weit auseinanderstanden und den Einfall des Sonnenlichts nicht weiter behinderten. Doch sobald sie Finns Weg nach Osten genommen hatten, schienen die Eichen und Hainbuchen von rechts und links auf sie einzudrängen wie Neugierige, die sehen wollten, was für Fremde da ihr Land betreten hatten.
    Die Sonne, die sie bisher fast immer begleitet hatte, war plötzlich über lange Strecken abwesend. Es fehlten jetzt auch die gelegentlichen Stimmen von Bauern, Rufe, die anderen Reisenden auf der Straße oder davongestreunten Schafen oder Kühen galten. Bis auf das Geräusch der Wagenräder, den Wind in den Baumwipfeln und dann und wann gedämpften Vogelsang umgab die Schauspieler fast völlige Stille.
    Außerdem stellte sich heraus, dass Finn nicht ganz recht gehabt hatte: Das, was am Abzweig von der Hauptstraße wie ein Feldweg ausgesehen hatte, schien jetzt stellenweise wesentlich unwegsamer, eher ein Pfad für Tiere als für Menschen, sodass der Wagen oft steckenblieb und sich nur mit viel Mühe wieder ins Rollen bringen ließ. Sie waren kaum im eigentlichen Wald angelangt, als die verdeckte Sonne dem westlichen Horizont entgegensank und die Schatten immer länger wurden.
    »Mir gefällt es hier nicht«, sagte Briony zu Dowan Birk, der neben ihr ging. Wegen des schlechten Weges und weil hier keine anderen Leute unterwegs waren, hatten sie und der Riese den Wagen verlassen und liefen wie alle anderen zu Fuß hinter ihm her, bereit, ihn aus dem nächsten Loch zu schieben.
    Die Gegend erinnerte sie an etwas, wovon sie nur ein vages Bild hatte: jene Tage, als sie verloren umhergeirrt war, nachdem die Männer des Barons Shaso getötet und Effir dan-Mozans Haus niedergebrannt hatten. Die Art, wie sich die Schatten bewegten, wie in dem ungleichmäßigen Licht die Bäume sich langsam zu drehen und ihr hinterher zu blicken schienen, hatte etwas Verstohlenes, ja Heimtückisches. Deswegen hatte sie das Amulett, das ihr Lisiya gegeben hatte, herausgeholt und trug es schon seit Stunden.
    Dowan zuckte die Achseln. Er sah noch düsterer drein als Briony. »Mir gefällt es auch nicht, aber Finn hat recht. Was bleibt uns anderes übrig?«
    »Warum habt Ihr gesagt ... hier gebe es schlimme Dinge?«
    »Ich weiß nicht, Hoheit. Ich habe

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