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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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entgehen.
    Briony starrte den Räuberhauptmann an und erkannte plötzlich etwas in ihm: Er war ein Rohling und ein Dieb, aber er war auch der stärkste und gewitzteste dieser Männer; wenn es mit der Welt so aberwitzig weiterging wie in letzter Zeit, würden viele solcher Männer aus dem Schatten hervorkommen, und manche von ihnen würden ihre eigenen Königreiche begründen.
    Das ist die Wahrheit,
dachte sie.
Die hässliche Wahrheit meines Herrschergeschlechts und jedes anderen. Diejenigen, die Macht ergreifen können, ergreifen sie und vererben sie dann ihren Kindern . .
    Nachdem er sich genug mit dem dicken Finn amüsiert hatte, zog Lope sie jetzt wieder an sich. Doch als der Räuberhauptmann eine dreckige Hand ausstreckte, um ihre Brüste unter dem losen Hemd zu betasten, stieß er plötzlich einen Schmerzensschrei aus und taumelte ein paar Schritte zurück: Das Messer, das er Briony entwunden hatte, steckte zitternd in seinem Oberschenkel.
    »Mistkerl!«, sagte Finn mit blutverschmiertem Gesicht und kam mühsam auf die Knie. »Das hätte deine Eier treffen sollen!«
    Die übrigen Räuber hatten sich beim Schrei ihres Anführers hergedreht und sahen jetzt mit großen Augen zu, wie er einen schwankenden Schritt auf den Stückeschreiber zu tat. »Eier? Ich schneide
dir
die Eier ab, falls du überhaupt welche hast, du Wackelpudding.« Auf einen Wink von ihm eilten zwei weitere Räuber herbei, überwältigten den um sich schlagenden Finn im Nu, warfen ihn zu Boden und klemmten ihn unter sich fest. Lope der Rote zog mit einem verächtlichen Kopfschütteln das Messer aus seinem Bein.
    »In den fleischigen Teil. Ha! Du bist kein Kämpfer, so viel ist klar.« Er beugte sich vor. »Ich werde dir zeigen, wie man ein Messer gegen einen Mann einsetzt ...«
    »Nein!«, schrie Briony. »Tut ihm nichts! Ihr könnt mit mir machen, was Ihr wollt!«
    Der Räuber lachte. »Ich
werde
mit dir machen, was ich will, Weibsstück. Aber zuerst werde ich den da tranchieren wie einen Rinderbraten.«
    Ein Schwirren erfüllte die Luft, und Lope der Rote erstarrte kurz, richtete sich dann langsam auf. Er griff sich ans Gesicht und versuchte, die Maske abzunehmen, konnte es aber nicht: Ein Pfeil, dessen Befiederung noch zitterte, hatte sie dicht überm Auge durchbohrt und an seinem Schädel festgeheftet.
    »Ich ...«, sagte er und fiel dann hintenüber wie ein gefällter Baum.
    »Ergreift sie!«, rief jemand. Ein Dutzend Bewaffnete brachen aus dem Wald hervor. Pfeile sirrten von allen Seiten durch die Luft wie wütende Wespen. Einer der Männer, die Finn am Boden gehalten hatten, sprang vor Briony auf, nur um im nächsten Moment gegen sie zu kippen, drei zitternde Pfeile in Brust und Bauch.
    Noch mehr Pfeile sausten an ihr vorbei. Männer schrien wie verängstigte Kinder. Einer der Räuber klammerte sich an einen Baum, als wäre der seine Mutter; als er zu Boden fiel, war der Stamm rot von seinem Blut.
    Briony warf sich hin und schützte ihren Kopf mit den Armen.

    Die syanesischen Soldaten zerrten den letzten Räuberleichnam auf den Haufen. »Alle da, Hauptmann«, sagte einer. »Soweit wir's sagen können.«
    »Und die anderen?«
    »Ein Toter. Die anderen haben nur ein paar kleine Verletzungen.«
    Briony rappelte sich hoch. Ein Toter? Estir Makswell lag schluchzend auf den Knien. Briony wollte zu ihr eilen, doch einer der Soldaten packte sie am Arm und hielt sie fest.
    Estir drehte sich von dem hingestreckten Körper weg und zeigte wütend auf Briony. »Das ist Eure Schuld —
Eure Schuld!
Ohne Euch wäre das alles nicht passiert, und der arme Dowan wäre noch am Leben?«
    »Dowan? Dowan ist tot? Aber ... ich wollte nicht ...« Es gab nichts, was sie hätte sagen können. Selbst die übrigen Mitglieder der Truppe, Estirs Bruder, Nevin Kennit, sogar Finn, schienen sie von dort, wo die Soldaten sie zusammengetrieben hatten, vorwurfsvoll anzustarren.
    Die Soldaten trugen syanesische Farben, aber ein Emblem, das Briony noch nie gesehen hatte, einen grimmigen weißen Hund. Ihr Hauptmann trat vor und musterte sie streng von Kopf bis Fuß. Sein Bart war lang, aber sorgsam getrimmt, und seinen hohen Helm zierte ein leuchtend weißer Helmbusch. Er sah aus wie jemand, der sich für ziemlich elegant hielt, dachte Briony. »Ihr seid Briony Eddon, Prinzessin von Südmark, zuletzt wohnhaft am Hof unseres Königs in Syan?«
    Leugnen hatte jetzt keinen Sinn mehr — sie hatte schon genug Unheil gestiftet. »Die bin ich, ja. Aber was passiert mit meinen

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