Die Daemmerung
Ihr erlaubt mir, Euch sicher dorthin zu geleiten. Das ist das mindeste, was ich Euch für die schlimme Behandlung am Hof meines Vaters schulde.«
»Bitte, schickt nach den Schauspielern — Euer Hauptmann weiß, wo sie sind. Und dann erzählt mir, was Ihr in der Zwischenzeit gehört und gesehen habt«, sagte Briony. »Doch was immer ich erfahren werde, ich glaube, ich werde in jedem Fall dasselbe wollen — nach Südmark zurückkehren. Mein Volk braucht mich dringend.«
»Wenn das Eure Entscheidung ist«, sagte Eneas feierlich, »werde ich Euch dorthin bringen, und wenn die Legionen des schwarzen Zmeos selbst mir den Weg verstellen.«
»Bitte, sprecht nicht von den Göttern, schon gar nicht von den zornigen«, sagte Briony, plötzlich beunruhigt. »Sie sind ohnehin schon viel zu präsent.«
Als es geschah, ging es schnell.
Viele Tage waren vergangen, an denen das Fischerboot der Küste gefolgt war, von Syan über das südliche Brenland und schließlich in die Straße, die Brenland von Connord und den vielen vorgelagerten Felsinseln trennte. Als eine junge Frau, die den größten Teil ihres Lebens im Bienentempel und dann im Frauenpalast des Autarchen verbracht hatte, hätte Qinnitan keine Ahnung gehabt, wo sie sich befand, wenn sie nicht entdeckt hätte, dass Daikonas Vo jetzt in den Morgenstunden, wenn er sein Elixier geschluckt hatte, Fragen beantwortete. Seine eiserne Kontrolle bröckelte ganz offensichtlich, doch Qinnitan bemühte sich, nur sparsamen Gebrauch davon zu machen, weil sie Angst hatte, diese unerwartete Informationsquelle könnte jäh versiegen.
Schon seit ein paar Tagen wusste Qinnitan, dass Vo sein Elixier nicht nur morgens, sondern auch abends nahm: Er wurde im Lauf des Nachmittags immer nervöser, bis er sich schließlich kurz nach Einbruch der Dunkelheit mit dem Mittel beruhigte. Sie wusste nicht genau, was das zu bedeuten hatte, war aber froh über das Nachlassen seiner Aufmerksamkeit, weil es ihr Zeit zum Nachdenken gab.
Eine ganze Weile schon hatte die Küste nur aus felsigen Landzungen bestanden, schroffen Klippen, gegen die Wellen schlugen, als bummerten Bettler an eine verriegelte Tür. Doch jetzt, während Vo an Deck auf und ab ging, der alte Vilas das Ruder bediente und seine Söhne dick und bewegungslos zu seinen Füßen saßen, passierte das Fischerboot ein letztes Bollwerk aus Klippen. Die Felsfront brach jäh ab, und stattdessen war da eine riesige, breite Fläche von nassem Sand, auf der hier und da mächtige runde Steine lagen wie verstreutes Kinderspielzeug. Hinter dieser nassen Sandfläche stieg das Land zu grasbewachsenen Hügeln an, auf denen Grüppchen von Bäumen mit weißer Rinde wuchsen. Hinter den Hügeln kam Wald, der aussah wie eine dunkelgrüne Decke über den Knien ferner Berge.
Heute Nacht,
beschloss sie: Wenn es jemals passieren sollte, dann heute Nacht. Bald würde die Küste wieder aus steilen Felsen bestehen wie schon die ganzen letzten Tage, Stein, an dem selbst ein guter Schwimmer zerschmettert würde. Es musste heute Nacht sein.
Wach zu bleiben war schwer, aber noch schwerer war es, sich nicht zu rühren. Sie zwang sich, die Augen möglichst geschlossen zu lassen, sich nicht dauernd zu vergewissern, dass der Mond, zu dem sie eben erst hinaufgeblickt hatte, immer noch so hell schien.
Vo murmelte vor sich hin, ein gutes Zeichen. Als sie das letzte Mal zu ihm hinüberzuschauen gewagt hatte, hatte er sich im Auf- und Abgehen mit den Fingernägeln an Armen und Hals gekratzt und sich den Bauch gerieben, als plagten ihn Leibschmerzen.
»... aufwachen«, sagte er und ließ dann auf Gossenxixisch eine Kette von Flüchen los, die Qinnitan vor einem Jahr noch hätten rot werden und beinahe in Ohnmacht fallen lassen. »Hinterlist!«, knurrte er. »Hatten gar nicht geschlafen. Alle beide? Sie wussten es? Und das mir!«
Er blieb jetzt endlich stehen, und Qinnitan lag so still wie irgend möglich, bemühte sich, nicht mal zu atmen. Vo stand mit dem Rücken zu ihr und leckte die Nadel ab, mit der er sein Elixier nahm. Zu ihrer Verblüffung tunkte er die Nadel wieder in die Flasche und führte sie erneut an den Mund.
Dreimal am Tag das Zeug von der Nadel! War das für sie gut oder schlecht? Sie überlegte kurz und kam zu dem Schluss, dass es nur gut sein konnte. Es fiel ihr jetzt noch schwerer zu warten, aber die Götter waren ihr wohlgesinnt: Schon nach kurzer Zeit ließ sich Vo am Mast auf die Decksplanken sinken.
Mit halbgeschlossenen Augen beobachtete sie
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