Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ziehen würden?
    Egal. Sie konnte nichts anderes tun als das, was sie tat.
    Wasser brannte ihr in den Augen und drohte ihr in den Mund zu schwappen. Der Mond hing über ihr wie ein riesiges Auge, verschwamm jedesmal, wenn ihr Kopf ins Wasser sank und sich dann wieder hob. Ihre Beine waren wie aus Stein, zogen sie hinab, auch wenn sie noch so fest gegen den Griff des Meeres anstrampelte. Und jetzt wurde die Erschöpfung, die eben noch wie Feuer in ihren Adern und ihrer Lunge gebrannt hatte, zu einer tödlichen Kälte, die sich Zoll um Zoll ausdehnte, bis sie ihre Arme und Beine nicht mehr spürte, nicht mehr wusste, wo oben und unten war, wo Leben und wo Ertrinken, ob es der über ihr hängende Mond selbst war oder seine Spiegelung in der Tiefe ...
    Qinnitans Füße berührten Sand und glatte Steine, dann wieder nur Wasser. Noch ein paar verzweifelte Schwimmzüge, und wieder war unter ihr Grund, diesmal endgültig. Ihre Füße fanden Halt, und das Wasser ging ihr nur bis zum Hals ... bis an die Brust ... an die Taille.
    Als sie kein Wasser mehr fühlte, sank sie auf die nassen Steine des Strandes und folgte dem Mond ins Dunkel empor.

    Qinnitan erwachte, vor Kälte zitternd, unter einem knochenweißen Mond. Von Vo oder seinem Boot war nichts zu sehen, aber sie fühlte sich schrecklich schutzlos auf dem kahlen Strand, und der Wind war eisig und heftig. Sie wrang so viel Wasser wie möglich aus ihrem Kleid und schleppte sich dann langsam auf die Hügel zu. Ihre bloßen Füße waren so kalt, dass sie die spitzen Steine gar nicht spürte.
    Ein Stück den Hügel hinauf fand sie sich in einem Meer von hohem Gras, das im Wind wogte und wisperte wie eine Schar von ängstlichen Kindern. Qinnitan war zu müde, um weiterzugehen. Sie sank auf die Knie und krabbelte ein Stückchen auf allen vieren, träumte in ihrer Erschöpfung, dass sie irgendwie durch einen Tunnel in Sicherheit kroch, an einen Ort, wo niemand sie sehen konnte. Schließlich ließ sie sich in das tiefe, wogende Wispern sinken, bis sie den brennenden Wind nicht mehr fühlte, und dann entglitt ihr die Welt wieder.

    »Ich wollte, Ihr hättet Euer Haar nicht abgeschnitten, Prinzessin«, sagte Eneas, während er ihr half, das Kettenhemd über den Kopf zu ziehen. »Obwohl eine männlichere Haartracht natürlich besser zu Eurem gegenwärtigen Kleidungsstil passt.«
    »Menschen tun seltsame Dinge, wenn sie ihr Leben zu retten versuchen.«
    Der Prinz wurde rot. »Natürlich, Mylady, ich wollte nicht ...«
    Briony wechselte das Thema. »Das Ding ist ja ganz leicht — viel leichter, als ich es mir vorgestellt hatte.« Tatsächlich fühlte sich das Panzerhemd nicht viel unbequemer an als die Kleider, die sie bei Hofe getragen hatte, ganz zu schweigen von der Schnürbrust, dem gestärkten Kragen und den Schichten von Unterröcken, die sie darunter hatte anlegen müssen. Das Kettenhemd hing locker über einem gepolsterten Unterwams und ging ihr fast bis an die Knie, war aber auf beiden Seiten geschlitzt, um damit besser reiten zu können.
    »Ja.« Der Prinz war erfreut, dass sie es bemerkt hatte. Ob sie wollte oder nicht, es berührte sie, dass er immer so glücklich schien, wenn sie Interesse für Waffen oder Rüstungen zeigte — jedenfalls mehr Interesse als andere Frauen. »Wie ich schon sagte, das Vorbild sind die Tuani und Mihani, schnelle Wüstenreiter, wie sie Euer Lehrmeister Shaso befehligte. Heute können schwerfällige Ritter den Feind nicht mehr nach Belieben niederwalzen. Wenn das schon der Langbogen zu Zeiten unserer Großväter erschwerte, werden es Schießgewehre bald gänzlich unmöglich machen. Eine Rüstung, selbst die stärkste, vermag eine Musketenkugel nur auf große Entfernung aufzuhalten, macht aber ihren Träger unbeweglich im Sattel und hilflos, wenn er zu Boden fällt ...« Er errötete wieder. »Ich rede und rede. Lasst mich Euch mit dem Wappenrock helfen.« Eneas und sein Page streiften ihr das Kleidungsstück über, während sie die Arme emporstreckte, dann trat Eneas, vielleicht aus Schicklichkeitsgründen, ein Stück beiseite, während der junge Page den Wappenrock an den Seiten schnürte.
    »So«, sagte der Prinz. »Jetzt seid Ihr ein echter Tempelhund?« Briony lachte. »Und sehr geehrt, einer zu sein, wenn auch nur äußerlich. Aber ist das wirklich jetzt schon nötig?«
    »Nach Südmark ist es ein weiter Weg, Prinzessin, und der Norden ist unruhig und gefährlich. Im Gefolge der Zwielichtlerarmee hat sich Gesetzlosigkeit ausgebreitet. Die

Weitere Kostenlose Bücher