Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
den anderen, sie sollen die Suche einstellen.« Er sah dem zerknirscht hinauseilenden Hauptmann nach und wandte sich dann an die anderen gepanzerten Männer, die amüsiert zugesehen hatten. »Graf Helkis, Ihr und die übrigen könnt jetzt gehen. Ich möchte allein mit der Prinzessin reden.« Er dachte kurz nach. »Nein, bleibt. Ich möchte den Ruf dieses armen Edelfräuleins nicht noch mehr beflecken, sie hat von meiner Familie schon genug erlitten, gänzlich zu Unrecht.«
    Der gutaussehende junge Edelmann verbeugte sich. »Wie Ihr wünscht, Hoheit.« Er zog sich auf einen Schemel an der Wand des Zelts zurück. Briony kam das alles wie ein Traum vor. Eben noch hatte sie sich gefragt, ob man sie hinrichten würde, und im nächsten Moment kniete ein Prinz vor ihr und küsste ihr die Hand.
    »Bitte«, sagte Eneas, »ich kann nicht erwarten, ja nicht einmal hoffen, dass Ihr meiner Familie verzeiht — es wäre unverdient —, aber ich kann mich noch einmal entschuldigen. Kurz nach unserer Rückkehr aus Unterbruck wurde ich fortgeschickt. Als ich schließlich erfuhr, was geschehen war, und nach Tessis zurückkam, wart Ihr bereits verschwunden.« Er musterte sie verdutzt. »Seltsam, ich könnte schwören, dass das mein alter Reisemantel ist, den Ihr da anhabt. Nun ja, egal.«
    Der Prinz erklärte ihr, dass er die Wahrheit nur erfahren hatte, weil ihm ein Bote von Erasmias Jino hinterhergeritten war und ihn eingeholt hatte, als er gerade seine Truppen auf der südlichen Königsstraße in Richtung Grenze führte. Briony wünschte plötzlich, sie könnte sich bei Jino bedanken, dessen Wohlwollen ihr gegenüber — oder zumindest Loyalität zu Eneas — sie offenkundig unterschätzt hatte.
    »Als ich den Brief gelesen hatte, ließ ich, obwohl es mitten in der Nacht war, meine Tempelhunde die Zelte abbrechen, und wir ritten sofort nach Tessis zurück«, sagte Eneas.
    »Tempelhunde?«
    »Die Männer, die Ihr hier um Euch seht. Sie sind meine berittene Leibtruppe«, sagte er hörbar stolz. »Allesamt handverlesen. Wisst Ihr noch, wie ich Euch über Shaso und seine Lehrmethoden ausgefragt habe? Die Tempelhunde sind eine Truppe nach dem Vorbild von Tuani-Reitern. Lasst Euch von Linas und seinem dummen Fehler nicht täuschen — sie sind die besten Männer, die Syan hat, schnell und beweglich, auf der Straße wie auf dem Schlachtfeld. Es tut mir leid, dass Eure erste Begegnung mit ihnen so unerfreulich war.«
    Briony schüttelte den Kopf. »Es war ja nicht nur unerfreulich. Sie haben uns vor Räubern gerettet.« Sie sah Dowan Birks blutleeres Gesicht vor sich, die halboffenen, blicklosen Augen. »Die meisten von uns ...« Das Glücksgefühl wegen ihres eigenen Entkommens verwandelte sich in etwas Kaltes, Schweres. »Können wir nach meinen Gefährten schicken lassen — den Schauspielern? Sie wissen nicht, was mit mir geschehen ist. Sie glauben wahrscheinlich, ich würde enthauptet oder nach Tessis zurückgeschleppt.« Sie hielt verwirrt inne. »Muss ich nach Tessis zurück? Was geschieht mit mir, jetzt, da ich Eure Gefangene bin, Prinz Eneas?«
    Er sah sie erschrocken an. »Meine Gefangene? Niemals, Prinzessin. So etwas Schreckliches dürft Ihr nicht einmal denken. Natürlich könnt Ihr gehen, wohin Ihr wollt ... wenn ich auch in der Tat
bete,
dass Ihr Euch von mir nach Tessis zurückbringen lasst, damit wir gemeinsam Euren Namen von diesen gemeinen, jeder Grundlage entbehrenden Anschuldigungen reinigen. Das ist das mindeste, was ich tun kann.«
    »Aber Eure Stiefmutter Ananka hasst mich ...«
    Eneas' Gesicht verhärtete sich. »Sie ist nicht meine Stiefmutter. Mit etwas Beistand der Götter wird mein Vater diese unziemliche Beziehung bald beenden.«
    Briony bezweifelte, dass es so einfach sein würde. »Trotzdem«, sagte sie. »Zwei Menschen aus meiner engsten Umgebung wurden von jemandem vergiftet, der es auf mich abgesehen hatte.«
    »Aber Ihr wärt doch an meiner Seite«, sagte Eneas. »Unter meinem persönlichen Schutz.«
    Die Vorstellung, sich in die Obhut eines so freundlichen, starken und tüchtigen Mannes zu begeben, war allerdings verlockend — Briony war schon so lange allein. Ihr Vater war nicht mehr da, ihre Brüder waren nicht mehr da, und es täte so gut, sich einfach nur ein bisschen auszuruhen ... »Nein«, sagte sie schließlich. »Ich danke Euch, Hoheit, aber ich kann nicht nach Tessis zurück.«
    Er tat sein Bestes zu lächeln. »Wie Ihr meint. Doch welche Zuflucht Ihr auch immer wählt, Prinzessin, ich hoffe,

Weitere Kostenlose Bücher