Die Daemmerung
Feuerblume tragen, das flammenfarbene Haar, manchmal auch ›Krumrnlingsrot‹ genannt — oder ›Habbilismal‹ in meiner Sprache. Doch ich vermute, die Gabe steckt in den Adern aller Nachkommen Kellick Eddons, selbst derjenigen, die nicht das äußere Zeichen aufweisen ...«
»Das stimmt nicht«, sagte Olin ärgerlich. »Mein ältester Sohn und meine Tochter haben nie unter dem Fluch gelitten.«
Der Autarch lächelte vor kindlichem Vergnügen. »Was ist mit Eurem Großvater, Anglin dem Dritten? Jeder weiß, dass er seltsame Anfälle und prophetische Träume hatte und dass er einmal beinahe zwei Diener mit bloßen Händen tötete, obwohl er als ein sehr sanftmütiger Mann galt.«
»Ihr habt wirklich ... eine Menge über meine Familie erfahren.«
»Eure Familie hat in gewissen Kreisen viel Aufmerksamkeit erregt, Olin Eddon.« Der Autarch beugte sich zu ihm. »Ihr müsst wissen, dass selbst Euer Großvater Anglin alle Zeichen dieses ... Blutsanteils zeigte, und dabei war er keiner von den rothaarigen Eddons, habe ich recht? Er hatte das hellblonde Haar Eurer frühen Vorfahren aus dem Norden, genau wie Eure Tochter und Euer ältester Sohn.«
»Ihr wollt mich nur quälen. Meine Tochter hat keinen Blutsmakel«, sagte Olin verkniffen.
»Es spielt auch keine Rolle — sie interessiert mich wenig«, erklärte der Autarch. »Ich habe, Ludis sei Dank, was ich brauche, und das seid Ihr ... oder vielmehr, das ist Euer Blut. Das Einzige, worin sich alle einig sind — die ältesten und verlässlichsten Berichterstatter beider Kontinente wie auch jene Alchemisten und Thaumaturgen meines Landes, die geheime Experimente durchführten und danach noch davon zu berichten vermochten — das, worin sie sich einig sind, ist, dass nur das Blut des Habbili — Eures Kupilas — einen Weg zu den schlafenden Göttern öffnen kann. Warum ist das wichtig? Weil nur, wenn der Weg geöffnet wird, die schlafenden Götter, die Habbili vor so langer Zeit verbannte, wieder erweckt und befreit werden können.«
»Ihr seid verrückt«, sagte Olin. »Und selbst wenn dieser Irrsinn stimmte, warum solltet Ihr das tun? Wenn wir so lange ohne sie gelebt haben, warum solltet Ihr sie wieder auf Erden wandeln lassen? Glaubt Ihr etwa, mit Euren Armeen wärt Ihr ihnen gewachsen? Bei den Drei Brüdern, Mann, schon das winzige Tröpfchen ihres verdünnten Bluts in meinen Adern hat mein Leben völlig aus dem Lot gebracht? Zu ihrer Zeit haben sie Berge zertrümmert und Ozeane mit den bloßen Hände ausgehöhlt? Warum solltet Ihr, der die Macht so liebt, Euch so furchtbare Rivalen in die Welt holen?«
»Ah, Ihr seid also nicht völlig naiv«, sagte der Autarch anerkennend. »Ihr fragt immerhin,
wenn es so wäre, was dann?
Ja, natürlich wäre ich ein Narr, wenn ich alle diese Götter freiließe. Aber wenn es nun nur ein Gott wäre? Und wichtiger noch, wenn ich eine Möglichkeit hätte, diesen Gott zu beherrschen und zu lenken? Würde diese Macht dann nicht mein? Es wäre, wie die Herrschaft über einen der alten
Shanni
zu haben — nur tausendmal so gewaltig! Alles, was die Macht des Gottes beinhaltet, wäre mein.«
»Und das habt Ihr wirklich vor?« Olin starrte ihn an. »Ein solcher Hunger nach Macht und Reichtum bei einem Mann, der doch schon so viel davon hat, ist ... lächerlich ... widerwärtig.«
»Nein, es ist viel mehr als nur das. Es ist das, was mich zu dem macht, der ich bin, während andere Männer, selbst andere Könige wie etwa Ihr, nichts sind als ... Herdenvieh. Weil ich, Sulepis, nicht hergeben werde, was ich habe, wenn Xergal, der Totenherr, mit seinem feigen Haken kommt, mich zu holen. Welchen Sinn hat es, die Welt zu erobern, wenn der Biss einer Natter oder ein Stück Stein, das von einer Säule herabfällt, dem allem im Nu ein Ende machen kann?«
»Wir sterben alle«, sagte Olin. Jetzt lag Verachtung in seiner Stimme. »Habt Ihr davor solche Angst?«
Der Autarch schüttelte den Kopf »Ich hatte schon befürchtet, dass Ihr es womöglich nicht verstehen würdet, Olin, aber ich hoffte, das Magische in Eurem Blut würde Euch vielleicht anders machen. Was ist ein Mann, der sich mit dem begnügt, was ihm gegeben wurde? Gar kein Mann, nur ein dumpfes Tier. Ihr fragt, was ein Mann, der doch schon die Welt beherrscht, sich noch wünschen kann? Die Zeit, das zu genießen, was er hat, und es dann, wenn es ihm keinen Spaß mehr macht, einzureißen und etwas Neues aufzubauen.« Sulepis beugte sich so weit vor, dass Vash schreckliche Angst hatte,
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