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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Da war nirgends ein lebendes Wesen zu sehen, und selbst die Burg jenseits des Wassers wirkte leer, obwohl Vash nicht daran zweifelte, dass Olins Landsleute zuhauf dort drinnen lauerten und ihre Klingen schärften, um xixisches Blut zu vergießen.
    »Seht Ihr?«, sagte der Autarch triumphierend. »Die Küste ist unser — die Qar sind weg. Sie wollten nicht zwischen unserer Armee und der Bucht eingezwängt werden. Sie haben ihre Ansprüche auf den Leuchtenden Mann aufgegeben?«
    Vash war abgelenkt, weil er hinter sich ein Geräusch hörte, aber der Autarch beachtete es gar nicht. Sulepis blickte sichtlich befriedigt über die Szenerie, als wäre das dort nicht Olins langvermisstes Zuhause, sondern sein eigenes.
    Das Geräusch, merkte Pinnimon Vash gleich darauf, war der Nordländerkönig, der betete, während er übers Wasser auf die stille Burg starrte.

39

Eine weitere Biegung des Flusses
    Es gibt die Meinung, die Qar seien unsterblich. Es gibt aber auch die Behauptung, sie lebten lediglich länger als Menschen. Wer in diesem Punkte recht hat und was gegebenenfalls nach dem Tode mit Elben geschieht, vermag kein Mensch zu sagen.
    Eine Abhandlung über die Elbenvölker Eions und Xands, verfasst von Finn Teodorus für seine Lordschaft Avin Brone, Graf von Landsend.
    So lange er denken konnte, hatte Barrick Eddon darum gebetet, dass das, was ihn anders machte als andere — sein verkrüppelter Arm, seine Albträume und die unerklärlichen inneren Stürme von Leid und Düsternis, das ganze Erbe an Wahnsinn, das er von seinem Vater hatte —, sich als etwas erweisen würde, das einen Sinn hatte, das mehr bedeutete als nur ein verpfuschtes und nichtsnutziges Leben. Jetzt wusste er endlich, dass es so war, und es machte ihm schreckliche Angst.
    Ich habe die Königin nicht gerettet. Was ist, wenn ich auch das mit der Feuerblume nicht schaffe? Wenn sie mich nicht will?
    Er stand auf dem Balkon von König Ynnirs Rückzugszimmer. Gerade war ein Schauer niedergegangen, und die Türme und Spitzdächer ragten empor wie Grabsteine auf einem überfüllten Friedhof, in allen möglichen Schattierungen von feuchtglänzendem Schwarz. In der kurzen Zeit, die er jetzt hier war, war das Wetter von Qul-na-Qar immer feucht gewesen, ein steter Wechsel von Nebel, Niesel- und Sturzregen, als wäre die uralte Festung ein Schiff, das durch Stürme segelte.
    Dennoch war an diesem Ort etwas Friedliches, und nicht nur der fast völligen Leere wegen: Das scheinbar endlose Labyrinth der Hallen und Gänge hatte tatsächlich etwas von der ruhigen Atmosphäre eines Friedhofs, eines Friedhofs allerdings, wo die Geister schon zu lange tot waren, um die Lebenden noch zu beunruhigen. Er wusste, dass in den Schatten Dinge lauerten, die ihn mit Furcht hätten erfüllen sollen, aber er fühlte sich einfach nur zu Hause, hier in diesem Haus eines Gottes, das voll war von unheimlichen, fremden Wesen. Ja, es war seltsam, wie wenig er alles das vermisste, was vorher sein gewesen war — seine Heimatburg in den Sonnlanden, seine Schwester, das dunkelhaarige Mädchen in seinen Träumen. Das schien so fern. Gab es irgendetwas, wofür es sich zurückzukehren lohnte?
    Schließlich hatte Barrick genug von den schimmernden Dächern und dem Kreisen seiner eigenen Gedanken. Er verließ das Zimmer, ging eine steile Treppe aus gesprungenem weißem Stein hinunter und hinaus in den Säulengang am Rand eines triefnassen Gartens, in dem niemand war. Selbst die fremdartigen Pflanzen hatten etwas Gedämpftes, die Grüntöne waren fast grau, die Blüten so blass, dass ihr Rosa und Gelb nur aus der Nähe erkennbar war, als hätte der Regen fast alle Farbe ausgewaschen. Von hier unten betrachtet, ähnelten die vielen Türme der Festung nicht mehr so sehr Grabsteinen, sondern hatten mehr von der Komplexität der Natur — lauter abstrakte, sich wiederholende Formen: Pfähle, Stäbe und Sparren, wie sie menschliche Adlige als Wappensymbole benutzten, nur dass sie sich hier zu endlosen Mustern reihten wie die Schuppen einer Schlange. Die Fülle dieser elementaren Formen verwirrte das Auge und lullte es zugleich ein, und nachdem er ein Stück gegangen war, merkte Barrick, wie selbst sein Denken müde wurde.
    Warum habt Ihr mir die Wahl überlassen,
Ynnir?, dachte er.
Ich habe noch nie eine gute Wahl getroffen ...
    Wie zur Antwort kam ein raschelnder Blätterwirbel um die Ecke geweht und legte sich, als der König in seinen schäbigen Gewändern vor Barrick im Säulengang erschien — aus

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