Die Daemmerung
über den eigenen Untertanen zu schweben!« Sulepis lachte, ein hohes Giggeln, das einige seiner Träger zittern machte, sodass die Sänfte ein wenig wackelte. Vash stockte das Herz. Der Autarch schien mit jeder Stunde wilder und unberechenbarer zu werden.
Die Trommeln dröhnten, und die Hörner erschallten. Das riesige Heer setzte sich in Marsch, und mit den Rüstungen, die in der Nachmittagssonne glänzten, sah es aus, als wären die funkelnden Wellen über den Strand und landeinwärts gerollt, so weit das Auge reichte. Vash wartete mit Olin, dessen Bewachern, Panhyssir, den übrigen Priestern und Dutzenden weiterer Höflinge und Hofbeamter, und alle taten ihr Bestes, sich in den Schatten der Sänfte zu drängen.
»Ich glaube, wir waren noch nicht fertig mit unserem Gespräch über die Zwielichtler«, sagte Sulepis, als sie die Küstenstraße erreicht hatten und die Reihen der Männer und Tiere nach Südwesten abschwenkten. »Wir sprachen von Eurem ungewöhnlichen Familienerbe, Olin, habe ich recht?«
Der Nordländer keuchte schon nach dem kurzen Anstieg vom Strand, und sein Gesicht war jetzt nicht mehr leichenblass, sondern zornrot. Er antwortete nicht.
»Nun denn«, sagte Sulepis. »Die Zwielichtler — oder
Pariki,
wie wir sie in Xand nennen — wurden aus unseren Landen schon vor langer Zeit vertrieben, selbst von den hohen Berggipfeln und aus den dichten Dschungeln im Süden. Doch in den frühesten Tagen, als sie noch durch unsere Lande streiften, paarten sich die Pariki zuweilen mit den Göttern selbst. Und manchmal paarten sie sich auch mit Sterblichen, und aus einigen dieser Paarungen gingen Kinder hervor. Daher überdauerte, auch als die Götter längst verschwunden und die Pariki vertrieben waren, noch immer göttliches Blut in bestimmten Sterblichenfamilien, manchmal über Generationen unbemerkt. Doch das Blut der Götter ist stark, sehr stark, und wird sich immer wieder bemerkbar machen.
Im Zuge meiner Studien erfuhr ich, dass Eure nördlichen Pariki, die Qar, nie ganz vertrieben worden waren, ja den Norden des Kontinents noch immer zu großen Teilen hielten. Und vor allem erfuhr ich, dass sich Qar-Blut mit dem eines eionischen Königsgeschlechtes vermischt hatte und, was noch interessanter war, dass diese Qar für sich beanspruchen, direkte Nachkommen des Gottes Habbili zu sein ... ich glaube, Ihr nennt ihn Kupilas? Ja, Kupilas, der Handfertige. Ihr könnt Euch vorstellen, wie interessant ich es fand, dass im Norden noch immer Sterbliche leben, in deren Adern Habbilis Blut fließt. Ihr wisst doch, welches Geschlecht ich meine, Olin — oder?«
Der Nordländer ballte die Fäuste. »Amüsiert es Euch, über den Fluch der Eddons zu spotten? Über das grausame Spiel, das die Götter mit uns gespielt haben?«
»Ah, mein lieber Olin, das ist der Punkt, in dem Ihr Euch irrt?«, sagte der Autarch glucksend. Vash hatte den Gottkönig noch nie in so bizarrer Stimmung gesehen, wie ein perverses Kind. »Es ist keineswegs ein Fluch, sondern im Gegenteil die größte Gabe, die man sich vorstellen kann?«
»Ihr macht Euch immer noch über mich lustig?« Allein Olins Ton veranlasste die Leoparden des Autarchen, ihre Dolche in den Scheiden zu lockern. Vash war froh, dass sie offensichtlich in dieser Enge keine Musketen zu benutzen gedachten. Das Knallen der Gewehre machte ihn nervös, und einmal hatte er gesehen, wie bei einem Aufmarsch der Leoparden versehentlich einem Unterwesir der Kopf abgeschossen wurde. »Ihr haltet mich gefangen, Sulepis — reicht das nicht? Müsst Ihr mich auch noch verspotten? Tötet mich, und lasst es dabei bewenden.«
Vash hatte sich daran gewöhnt, dass der Autarch Olin als Belustigung betrachtete, dass er sich von ihm Beleidigungen und Widersetzlichkeiten gefallen ließ, für die er jeden seiner eigenen Untertanen längst hätte zu Tode foltern lassen, und dennoch überraschte ihn Sulepis' milde Reaktion.
»Es
ist
eine Gabe, Olin, auch wenn Ihr es nicht wisst.«
»Diese Gabe, wie Ihr es nennt, hat wahrscheinlich dazu geführt, dass meine Frau im Kindbett gestorben ist, sie hat mich meinen kleinen Sohn eine Treppe hinunterwerfen lassen, was ihn fürs Leben zum Krüppel machte, und sie hat mich gezwungen, mich viele Nächte fern meiner Familie einzuschließen, aus Angst, ich könnte ihnen noch einmal etwas antun. Im Griff dieser Gabe habe ich sogar den Mond angeheult wie Eure xixischen Hyänen-Menschen? Und dieser Fluch, der in meinen Adern und auch in denen meiner Kinder sitzt
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