Die Daemmerung
verschwunden — auf unterschiedliche Art, aber zweifellos unwiederbringlich. Traurigkeit erfasste sie, so jäh und so übermächtig, dass sie fürchtete, in Tränen auszubrechen. Sie brauchte eine ganze Weile, um wieder atmen zu können. »Sag schon, schnell. Wer ist es?«
»Sein Name ist Jenkin Krey!« Das Mädchen presste die ineinander verklammerten Hände ans Mieder, als könnte es sich kaum noch beherrschen. »Kennt Ihr ihn?«
Im ersten Moment sagte der Name Briony nichts — so fern waren ihr inzwischen alle diese Leute und die Welt, die sie mit ihnen geteilt hatte ... aber dann dämmerte es ihr, und die Traurigkeit schlug in Bitterkeit um.
»O ja, ich kenne ihn. Der Bruder von Durstin Krey, Baron von Graylock, obwohl ich mir sicher bin, dass Durstin jetzt mehr ist als nur Baron, wo er doch schon so lange zu Hendon Tollys hingebungsvollsten Speichelleckern gehört.« Beim Gedanken an die Kreys wollte sie gegen ein Möbelstück treten. »Was will Jenkin hier?«
»Er ist der neue Gesandte Eures Bruders Alessandros hier am Hof«
Briony schnaubte. »Alessandros ist noch kein halbes Jahr alt. Der Gesandte des schändlichen Usurpators Hendon Tolly, meinst du wohl.«
Die Augen des Mädchens weiteten sich. »Natürlich, Hoheit. Wie Ihr meint.«
Briony bemühte sich um Beherrschung. Für den Verrat der Tollys konnte dieses Mädchen nichts, selbst wenn es eine von Anankas Spioninnen war. »Danke, dass du es mir gesagt hast, Agnes.«
»Aber was wollt Ihr jetzt tun, Hoheit? Er hat um ein Gespräch mit Euch ersucht.«
»Ach? Tatsächlich? Bei allen Göttern, diese Leute sind wirklich so schamlos wie ...« Sie unterbrach sich. Sich einer Sprache zu befleißigen, die unter fahrenden Schauspielern angemessen war, würde sie hier in Syan nur noch mehr ins Gerede bringen. Aus der Bitterkeit wurde etwas noch Schlimmeres, fast schon Furcht, aber sie fühlte auch heiße Wut in sich aufsteigen. »Nun gut. Ja, natürlich werde ich ihn empfangen. Wenn er der Gesandte der Tollys ist, werden wir einiges zu reden haben, er und ich. Aber zuerst muss ich noch ein paar Arrangements treffen.«
Schließlich hatte sie nur zu gründlich gelernt, wie es um die Vertrauenswürdigkeit von Kreys Herrn und Gebieter bestellt war. Wenn sie mit diesem Gesandten sprach, wollte sie Wachen des syanesischen Königs im Raum und vor der Tür haben.
Wer sie beide nicht kannte, musste wohl annehmen, Jenkin Krey sei derjenige, der Briony eine Gunst erwies, und sie die, die sie dankbar entgegennahm. Er kam mit zwei eigenen Leibwachen und einem dünnen, sauertöpfisch dreinblickenden, schwarz gekleideten Schreiber, als gälte es einen Vertrag auszuhandeln.
Krey selbst war fleischig, ohne dick zu sein, mit rotem Gesicht, ausgeprägter Nase und einem Grübchen im Kinn. Er war bereits in einem Stil gekleidet, von dem er wohl glaubte, er entspräche der neuesten syanesischen Mode: Als er eine kunstvolle Verbeugung machte, knarzten seine steifen Pantalons, und seine Rüschenärmel raschelten.
»Hoheit, welch freudige und gänzlich unerwartete Überraschung! Ich konnte es kaum glauben, als man es mir sagte. Euer Volk wird überglücklich sein, Euch am Leben und wohlauf zu wissen. Wie seid Ihr hierhergekommen? Ich werde unverzüglich eine Botschaft nach Hause schicken, die die Herzen der trauernden Bevölkerung mit Freude erfüllen wird.«
Briony sah zu ihren Dienerinnen hinüber. Sie waren alle fleißig mit ihrer Nadelarbeit beschäftigt. Verglichen mit diesem Idioten nahm sich der syanesische Hofadel mit seinen kindischen Interessen und subtilen Grausamkeiten plötzlich schon viel sympathischer aus. Dennoch: Wenn dies das Spiel war, das Krey spielen wollte, dann würde Briony mitzuhalten wissen.
»Ach, ja«, sagte sie. »Ich habe mein Zuhause ja so vermisst, Lord Krey. Sagt, wie geht es meinem kleinen Bruder Alessandros? Und meiner Stiefmutter Anissa? Und natürlich dem teuren Vetter Hendon, der sich so gut um sie alle kümmert?«
Er zögerte. »Ist der Verweser ... ist Hendon Tolly wirklich Euer Vetter? Ich, äh, dachte gar nicht, dass die Verwandtschaftsbande so eng sind.«
Briony machte eine wegwischende Handbewegung. »Oh, die Tollys waren mir immer näher als nächste Verwandte. Deshalb nenne ich Hendon ›Vetter‹. Wisst Ihr, in der Nacht, als ich Südmark verließ, hatten wir noch ein äußerst aufschlussreiches Gespräch. Hendon erklärte mir ganz genau, welche Pläne er mit mir, meiner Familie und dem Thron hatte. Ich war gerührt, dass er
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