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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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so viele Gedanken und so viel Mühe auf uns verwandt hatte — ja, ich war zutiefst bewegt. Tatsächlich bereitet es mir unsäglichen Kummer, dass ich ihm immer noch nicht meine Dankbarkeit bekundet habe. Aber seid versichert, ich habe
sehr
gründlich darüber nachgedacht, wie dies alles Lord Tolly und seinen Anhängern vergolten werden soll. Ja, ich habe mir ausgiebig Gedanken darüber gemacht und bin auf etliche Belohnungen gekommen, die so außergewöhnlich sind, dass nicht einmal Hendon sie sich ausmalen kann.«
    Krey starrte sie mit leicht geöffnetem Mund an. »Ah«, sagte er schließlich. »Ah, ja, natürlich, Hoheit.«
    »Wenn Ihr also dem teuren Hendon schreibt, berichtet ihm doch bitte unbedingt davon. Wie Ihr bald merken werdet, habe ich hier in Syan viele Freunde, viele mächtige Freunde, und sie sind allesamt der Meinung, dass ein so nobles und loyales Verwesertum wie das seine angemessen entgolten werden muss.«

    Von den mehreren hundert Männern und Frauen an König Enanders Hof suchten nur wenige das Gespräch mit Briony oder gar mehr als nur eine flüchtige Bekanntschaft. Eine dieser wenigen war Ivgenia e'Doursos, die Tochter des Grafen von Teryon, einer kleinen, aber wichtigen Grafschaft mitten in Syan, südlich der Hauptstadt. Dass sie von sich aus auf Briony zuging, sprach zwar gegen ihre Vertrauenswürdigkeit — zu groß war die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Auftrag der Mätresse des Königs handelte —, aber Briony stellte fest, dass sie Ivgenias Gesellschaft dennoch genoss.
    Sie trafen sich erstmals bei einer der ungemütlichen Mahlzeiten in der großen Halle: Dutzende Tische und Hunderte von Höflingen, der Raum hallend vom Stimmengewirr. Ivgenia saß Briony gegenüber. Briony selbst war neben einem älteren Hofadligen plaziert, der zu viel Wein trank und ihr immer wieder in den Ausschnitt zu schielen versuchte. Etliche Gänge später fiel er vom Stuhl und musste von Bediensteten wieder zurückgehievt werden. Als der Baron schließlich in Richtung Bett wankte, beugte sich das dunkelhaarige Mädchen über den Tisch zu Briony und sagte mit schicklich ernster Miene: »Wir Provinzler haben ja von diesen kultivierten Tessiern so viel zu lernen.« Briony musste so lachen, dass sie sich fast an einem Bissen Brot verschluckte, und an jenem Abend begann ihre Freundschaft.
    Ivgenia war an den Hof geschickt worden, um hier eine ordentliche höfische Erziehung zu erhalten, und sie hatte allerdings bereits gelernt, aufmerksam auf alles zu achten, was um sie herum vor sich ging: Sie war ein sprudelnder Quell von Klatschgeschichten, und ihre ironische Beobachtungsgabe stand der von Barrick kaum nach. Ivgenia war selbst eine Außenseiterin, nicht wegen ihrer Abstammung, sie kam ja aus gutem Hause, sondern wegen ihrer Intelligenz, einer bei syanesischen Mädchen nicht gerade hoch bewerteten Eigenschaft — jedenfalls nicht bei denjenigen, die jung und hübsch genug waren, sie nicht zu benötigen. Intelligenz, besagte ein populäres Sprichwort, war etwas für ehrgeizige Männer und hässliche Frauen.
    Syan war in vielem wesentlich freizügiger als Südmark — die Frauen zeigten hier weit mehr Haut und die Männer weit mehr Bein —, aber in anderen Dingen auch wesentlich konservativer, was am starken und unmittelbaren Einfluss des Trigonatsglaubens liegen mochte. Der berühmte Tempel des Trigonarchen stand auf einem steinigen Hügel mitten in Tessis. Seine Türme überragten selbst den Weithallpalast, und seine Macht war allgegenwärtig. Jeder trug den Triskelion, und nahezu jeder Tag war gleichsam irgendein religiöser Feiertag. Und so wie zu König Enanders Linken stets Lady Ananka saß, stand oder ging, klebte an seiner rechten Seite unweigerlich der mächtigste Priester des Trigonarchen, Hierarch Phimon, von dem es hieß, die Einzigen, die noch direkteren Zugang zum Ohr des Trigonarchen hätten als er, seien die drei Götterbrüder selbst.
    »Wenn Ihr hier etwas erwirken wollt, Hoheit«, sagte Ivgenia eines Tages in Brionys Gemächern, »müsst Ihr den Hierarchen auf Eure Seite bringen. Es heißt, der Trigonarch tut gewöhnlich, was er ihm sagt. Vielleicht würde er Euch ja helfen, Euer Königreich wiederzuerlangen?« Wie alle im Weithallpalast wusste auch Ivgenia zumindest einiges über Brionys Situation: Eine Prinzessin, die aus ihrem eigenen Land verjagt worden war, war schließlich nichts Alltägliches, nicht einmal in einer so großen und bedeutenden Stadt wie Tessis.
    Briony überlief ein kurzer

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