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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schauer — sollte sie manipuliert werden? Würde Ivgenia ihre Reaktion sofort Ananka hinterbringen? »Ich bin sicher, Hierarch Phimon hat Wichtigeres zu tun«, sagte sie vorsichtig. »Ich werde warten, bis König Enander befindet, was er wegen Südmark zu tun gedenkt. Er wird gewiss eine weise Entscheidung treffen.«
    Ivgenia zuckte die Achseln. »Auch gut, Hoheit, da Ihr sowieso nicht der Typ seid, der den Hierarchen interessiert. Man sagt, es gebe nur drei Sorten Menschen, an denen Phimon etwas liegt: Knaben mit hübschen Stimmen, alte Frauen mit viel Geld und Trigonarchen.«
    »Aber, Ivvie, es gibt doch nur einen Trigonarchen!«, wandte Briony lachend ein.
    »Ja, also ist diese letzte Kategorie sehr begrenzt«, sagte Ivgenia. »Und ein Knabe seid Ihr nun mal nicht, wenn ich auch gehört habe, Ihr hättet Euch für einen ausgegeben. Also findet besser einen Weg, an Geld zu kommen, Großmütterchen.«
    »Ach? Du!« Briony warf ein Kissen nach ihr. Wenn Ivgenia eine Verräterin war, dann war sie eine überaus geschickte Verräterin, und selbst eine falsche Freundin, die so unterhaltsam war wie Ivgenia e'Doursos, war entschieden besser als völlige Isolation. Dennoch: Mit jeder Nacht, die Briony Eddon fern ihres von Usurpatoren vereinnahmten Landes in tessischem Luxus verbrachte, brauchte sie länger, um endlich einzuschlafen.

    »Heute habe ich mehrere Leute von Kallikan reden hören«, sagte Briony. »Was sind Kallikan?«
    Einige ihrer Begleiterinnen gaben indignierte Laute von sich, doch nicht so Ivgenia. »Wollt Ihr welche sehen? Ihr werdet sie sicher recht interessant finden.«
    Sie verließen gerade die Blumenwiese, den Hauptmarktplatz von Tessis, und Briony war überwältigt. Allein schon die Größe dieses Marktes! Heute schienen hier mehr Menschen zwischen den Ständen und ausgebreiteten Decken umherzugehen, als in den gesamten Markenlanden lebten, und angesichts der Vielfalt der angebotenen Waren kam Briony sich nicht nur arm vor, sondern auch unwissend: Von der Hälfte der Dinge, die hier verkauft wurden, und der Orte, wo sie herkamen, hatte sie noch nie gehört.
    »Interessant?«, wiederholte sie langsam, während sie einem Ochsenkarren nachsah, der hoch mit vergoldeten Schreinen beladen war. Es waren nur noch wenige Wochen bis zu den Großen Zosimia, dem Fest zur Feier des Winterendes. Zu Hause war es nicht viel mehr als ein Vorwand, die Götterstatuen mit Weinranken zu bekränzen und mit getrockneten Blüten zu bestreuen, aber hier in Syan waren die Feierlichkeiten offensichtlich aufwändiger. »Ich habe Angst, wenn ich noch mehr Interessantes sehe, wird mein Kopf anschwellen und platzen wie eine Seifenblase ... aber warum nicht? Wenn unsere Wachen nichts dagegen haben?«
    Ivgenia sah zu den Soldaten in blauen Wappenröcken hinüber und verdrehte die Augen. »Sie sind hier, um Euch zu bespitzeln, nicht um uns zu sagen, was wir dürfen und was nicht«, sagte sie. »Sie werden uns folgen, wo immer wir hingehen.«
    Briony beugte sich näher zu ihrer Freundin. »Glaubst du das wirklich?«
    »Was? Dass sie uns folgen werden oder dass sie Euch bespitzeln sollen?« Ivgenia schnitt eine Grimasse. »Sie sind vielleicht nicht alle Spitzel, Hoheit, aber ich kann Euch versichern, mindestens einer von ihnen wird zur Favoritin des Königs laufen und ihr berichten, wo Ihr heute wart. Also können wir auch dafür sorgen, dass es etwas zu erzählen gibt.«
    Ihre Röcke gerafft, damit sie nicht auf der matschigen Straße schleiften, führte die dunkelhaarige Ivgenia Briony, die Edelfräulein und die Soldaten vom Marktplatz weg, doch statt sich wieder in Richtung Palast zu wenden, überquerten sie die breite Laternenstraße nahe dem Devonabrunnen-Platz und steuerten auf etwas zu, das wie eine ganz gewöhnliche, enge Gasse aussah, die allerdings etwas höher zu liegen schien als ihre Umgebung. Erst als sie sich durch die strudelnde Menge gezwängt hatten, erkannte Briony, dass die höhergelegene Gasse in Wirklichkeit eine Brücke über den Fluss war, die zu beiden Seiten Wohnhäuser und Läden säumten.
    »Da drüben«, sagte Ivgenia. »Auf der anderen Seite des Esteros. Sie nennen es ›Unterbruck‹.«
    »Wer nennt es so?«
    »Das werdet Ihr gleich sehen. Kommt?« Ivgenia führte Briony, die stoischen Soldaten und die ängstlichen Mädchen in den Menschenstrom auf der Brücke. Es war immer noch kalter, windiger Dimene, keine zwei Monate nach dem Jahreswechsel, was also machten alle diese Menschen hier? Briony fragte

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