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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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hundertelfte und hundertzwölfte Frau, zwei junge Schwestern von edlem Geblüt, Nichten des Königs von Mihan, die Sulepis als Tribut gesandt worden waren. Anders als bei dem entflohenen Tempelmädchen schien sein Interesse an ihnen normaler Art. Normal für den Autarchen jedenfalls: Die Musik ihrer Schreie war dem Schlaf der übrigen Schiffspassagiere in den letzten Nächten nicht gerade zuträglich gewesen.
    »Oh, das ist gut«, sagte Vash. »Mögen ihm die Götter Gesundheit und Kraft schenken.«
    »Ja, Gesundheit und Kraft«, wiederholte Panhyssir. Im Begriff weiterzugehen, bedachte er Vash mit einem weiteren Wabbeln seines Mehrfachkinns.
    »Oh, ich habe noch eine kleine Frage, guter Panhyssir. Habt Ihr einen Augenblick Zeit? Könnten wir an einem windstilleren Plätzchen weiterreden? Meine alten Knochen sind so empfindlich gegen Kälte, und ich habe mich noch nicht an diese nördlichen Gewässer gewöhnt.«
    Der Oberpriester sah ihn verdutzt an, brachte dann aber ein freundliches Lächeln zustande. »Selbstverständlich, alter Freund. Kommt in meine Kabine. Mein Sklave wird Euch einen schönen, heißen Tee machen.«
    Die Kabine des Priesters war größer als seine eigene, hatte aber kein Fenster. Über Jahrzehnte gewohnt, Statusmerkmale bei Hofe zu taxieren, konnte Vash einfach nicht umhin, darüber nachzudenken, was das zu bedeuten hatte, und er gelangte zu dem erfreulichen Ergebnis, dass trotz der vielen Zeit, die Panhyssir im letzten halben Jahr mit dem Autarchen verbracht hatte, sein eigener Status nicht rapide gesunken war.
    Die Kabine des Oberpriesters hatte einen Kamin, was angenehm war, erlaubte es doch, ein Feuerchen zu entzünden. Ein Tempeldiener begann mit der Teezubereitung, während Vash sich auf einer Bank niederließ. Er vermied absichtlich das übliche Spielchen, den Beinahe-Ranggleichen dahin zu bringen, als erster Platz zu nehmen. Ihm lag daran, dass der Nushash-Priester gut gelaunt war: Schließlich erhoffte sich Vash ein ehrliches Gespräch oder zumindest so etwas Ähnliches.
    »Nun, mein teurer alter Freund«, begann Panhyssir, als sie die Teeschalen in Händen hielten, »was kann ich für Euch tun?«
    Vash lächelte zurück und dachte daran, wie oft er mit dem Gedanken gespielt hatte, einen seiner Verwandten vom Land dazu zu bewegen, Panhyssir ein Messer ins Auge zu rammen. Das Leben am Hof stiftete unerwartete Feindschaften, aber auch unerwartete Freundschaften. In diesem Moment, stellte er fest, empfand er für den Priester fast schon so etwas wie Zuneigung. Panhyssir mochte ja ein eigennütziger Hund sein, aber er war einer von der alten Garde, und davon waren nur noch wenige übrig, zumal seit dem Blutbad bei Sulepis' Machtergreifung. »Es geht natürlich um den Goldenen«, begann er. »Ich mache mir Tag und Nacht Gedanken, wie ich ihm am besten dienen kann.«
    Panhyssir nickte wissend. »Wie wir alle. Möge der Herr des Feuers ihn stets beschützen. Aber womit kann ich Euch helfen?«
    »Mit Eurer Klugheit«, sagte Vash und nahm des Verzögerungseffekts wegen einen Schluck Tee, »und Eurem Vertrauen. Denn ich möchte nicht, dass Ihr glaubt, ich wollte meine Nase in Dinge stecken, die zweifellos allein Eure Angelegenheit sind.«
    »Sprecht.«
    »Ich meine natürlich Eure Beziehung zum Goldenen und Eure Ratgeberrolle, die Wege der Götter betreffend. Mir liegt es fern, mich in ein so hohes, verantwortungsvolles Amt einzumischen. Und natürlich vermag ich nicht einmal die Wege des lebenden Gottes auf Erden zu verstehen, geschweige denn die der unsterblichen Götter im Himmel.«
    »Natürlich.« Panhyssir war halb belustigt. »Und zu welchem Zwecke darf ich Euch meine ... Klugheit leihen?«
    »Ich will ehrlich sein, guter Freund, und Euch so mein Vertrauen zu Euch beweisen. Wir wissen ja beide, dass mancher an unserem Hof jedes Zeichen von Schwäche oder Zweifel bei einem anderen Minister ausnützen würde — durch Denunziation oder zumindest Erpressung.«
    »Ja, schrecklich, diese jungen Minister«, sagte Panhyssir gravitätisch. »Sie wissen nicht, was loyales Dienen heißt.«
    »So ist es. Doch bei Euch mit all Eurer Erfahrung und Klugheit vertraue ich darauf, dass Ihr unterscheiden könnt, ob jemand die Weisheit des Autarchen infrage stellt oder sich bloß verständliche Sorgen um das Wohlbefinden des Goldenen macht.«
    Panhyssir genoss die Situation sichtlich. »Ihr macht mich neugierig, Vash. Aber in Eurem Diensteifer sind Eure Gedanken ja denen von uns Übrigen immer weit

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