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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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sagte sie. »Ein Feind hält meinen Thron in seiner Gewalt. Er hat versucht, mich zu ermorden, weshalb ich fliehen musste. Und meinen älteren Bruder Kendrick
hat
er ermordet.« Das wusste sie natürlich nicht mit Sicherheit, und Shaso hatte es offensichtlich bezweifelt, doch im Moment sagte sie ja nicht vor den Göttern in den heiligen Hallen des Tempels aus, sondern versuchte einen Verbündeten zu gewinnen. »Und jetzt streckt er seinen Arm bis hierher aus und versucht mich an Eurem Hof zu töten — jedenfalls ist das mein Verdacht.«
    »Nein?«, sagte Eneas als Ausdruck von Bestürzung und Empörung, nicht von Widerspruch. »Tatsächlich? Ihr meint, die Tollys würden so etwas Törichtes tun, hier, vor der Nase des Königs?«
    Die Nase des Königs steckt derzeit die meiste Zeit woanders,
dachte Briony, sagte es aber nicht. Das Leben unter Makswells Mimen, wo die Zoten nur so hin- und herflogen, hatte sie nicht gerade wohlerzogener und prinzessinnenhafter gemacht, aber es hatte sie gelehrt, sich zu verstellen. »Ich kann nur sagen, dass ich hier eine ganze Zeit lang sicher gelebt habe, dass mich aber binnen eines Tages nach Ankunft des Tolly'schen Gesandten jemand zu ermorden versuchte.«
    Eneas ballte die kräftigen Hände zu Fäusten. Er erhob sich und begann, auf und ab zu gehen. Jetzt, da er ihnen den Rücken zudrehte, konnten ihn die stickenden Mädchen ungeniert angaffen und taten es auch. »Zunächst einmal werdet Ihr von jetzt an Eure sämtlichen Mahlzeiten von der Tafel des Königs erhalten, Prinzessin«, sagte er. »So profitiert Ihr von den Vorkostern meines Vaters. Wenn Ihr nicht mit den anderen speist, wird Euch einer meiner Diener Euer Essen bringen, um sicherzustellen, dass niemand daran rührt.« Er dachte kurz nach. »Und wenn es Euch nichts ausmacht, werde ich ein paar von meinen Männern hierlassen, um Eure Gemächer zu bewachen. Ich muss wieder fort und kann Euren Schutz nicht selbst übernehmen, aber mein Gardehauptmann wird Eure Sicherheit gewährleisten, hier
und
wenn Ihr Eure Gemächer verlasst. Und schließlich werde ich Erasmias Jino — einen braven Mann, dem ich vertraue — beauftragen, über Euer Wohl zu wachen, vor allem, wenn ich nicht am Hof bin.«
    Briony war sich nicht sicher, wie sie das fand (der scharfsichtige Lord Jino machte sie immer ziemlich nervös), war aber klug genug, diesem mächtigen, netten jungen Mann nicht zu widersprechen, wenn er ihr doch nur helfen wollte. Dennoch spürte sie einen Stich im Herzen: Die Erwähnung des Gardehauptmanns erinnerte sie an Ferras Vansen — der, laut allen Quellen, die sie hatte auftun können, zusammen mit ihrem Bruder Barrick in der verheerenden Schlacht auf dem Kolkansfeld verschollen war. Ja, plötzlich überkam sie eine seltsame Scham, als ob sie diesem gutaussehenden Prinzen gestattete, sie zu lieben, statt sie einfach nur zu beschützen — und als ob sie Vansen etwas schuldig wäre, was sie doch keinesfalls war. Schon der bloße Gedanke war lächerlich Dennoch, der Schmerz in ihrem Herzen hielt an, und sie sagte so lange nichts, dass Eneas bereits beunruhigt dreinsah.
    Um die Situation zu retten, ergriff Ivgenia das Wort. »Wohin geht Ihr diesmal, Prinz Eneas, wenn ich fragen darf? Der ganze Hof vermisst Euch, wenn Ihr fort seid.«
    Er verzog missmutig das Gesicht, aber Briony dachte, dass es weniger Ivgenia galt als der Vorstellung, dass die Leute über ihn redeten. »Ich muss wieder in den Süden. Der Markgraf von Akyon wird dort von den Xixiern belagert, und ich reite mit meinen Tempelhunden und dem übrigen Entsatzheer, das wir hinschicken.«
    »Und werdet Ihr dann auch Hierosol selbst befreien, königliche Hoheit?«, fragte Ivgenia.
    Er schüttelte den Kopf »Ich fürchte, Hierosol ist verloren, mein Fräulein. Es heißt, dass nur noch die innersten Mauern stehen — und dass selbst Ludis Drakava geflohen ist.«
    »Was?« Briony fiel fast vom Stuhl. »Das habe ich ja noch gar nicht gehört. Gibt es irgendwelche Nachrichten über meinen Vater, König Olin?«
    »Es tut mir leid, Prinzessin, ich habe nichts gehört. Ich bin überzeugt, dass nicht einmal ein Barbar wie der xixische Autarch ihm etwas antäte, aber ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, dass ihn die Hierosoliner Sulepis überlassen würden. Vergesst nicht, sie haben ihre Stadt noch nicht übergeben und werden vielleicht noch lange standhalten. Ich nehme an, irgendein Adliger hat Drakavas Platz eingenommen. Trotzdem wünschte ich, ich hätte bessere Nachricht

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