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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mutter versucht denn ihrem eigenen Sohn das Geld aus der Tasche zu ziehen?«
    »Warum sollte ich ohne Lohn arbeiten? Wenn du mir nicht helfen willst, deinem eigenen Fleisch und Blut, dann stell doch ein Mädchen aus diesen Schänken an, in denen du deine ganze Zeit verbringst.«
    Er starrte sie an. Sie hatte diesen Gesichtsausdruck, den er hasste, jetzt, da sich die Zornesröte von eben in die rosige Farbe des Triumphes verwandelte — jenen Ausdruck, der besagte, dass sie wusste, sie würde ihren Willen bekommen. Sprachen die Götter wirklich zu ihr? Konnte sie irgendwoher wissen, dass Brigid geschworen hatte, ihm nicht mehr zu helfen, dass er in einer Klemme steckte, die sogar tödlich sein konnte?
    »Mutter, begreifst du denn nicht? Wenn irgendwie herauskommt, wo Fräulein Elan ist, wird mich der ... der Mann, der nach ihr sucht, töten lassen. Ganz zu schweigen von dem, was er ihr antun wird, diesem armen unschuldigen Mädchen?«
    Sie hatte jetzt die langen Armen vor der Brust verschränkt. »Ein Grund mehr, mir das kleine Almosen, um das ich dich bitte, nicht zu missgönnen. Für die Sicherheit dieses Mädchens ist doch kein Preis zu hoch. Ich kann nicht glauben, dass eins meiner Kinder sich wegen einer solchen Kleinigkeit aus der Verantwortung stiehlt.«
    Er starrte sie an. »Ich werde dir keinen Seestern pro Tagzehnt zahlen, Mutter. Das kann ich mir nicht leisten. Ich gebe dir zwei pro Monat, bis sie gesund genug ist, um von hier wegzugehen. Und du bekommst zu essen und dieses Zimmer hier.«
    »Ich bekomme ein halbes Zimmer und ein halbes Bett, meinst du wohl? Ein Bett, das ich mit dieser Unglücklichen hier teile, die weiß der Götterhimmel welche ansteckenden Krankheiten in sich trägt, das arme Ding. Zweieinhalb im Monat, Matthias. Der Himmel wird dir lohnen, dass du das Rechte tust.«
    Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Himmel sich um einen halben Seestern im Monat schelte, aber er brauchte sie mehr als sie ihn, und das spürte sie wie immer.
    »Nun gut«, meinte er. »Zweieinhalb pro Monat.«
    »Und jetzt die Anzahlung ...«, sagte sie und streckte ihm die lange Hand hin.
    »Anzahlung?«
    »Du willst doch, dass ich mich um sie kümmere, oder? Was ist, wenn ich zum Apotheker muss?«
    Er gab ihr seinen letzten Seestern.

    Er spazierte an den heruntergekommenen Anlegern am Nordwestende der Skimmerlagune vorbei und kickte einen Klumpen von getrocknetem Teer vor sich her. Über allem hing der Geruch von Fisch und Salz. Obwohl er gerade so viel Unbill auf sich genommen hatte, um sich Bewegungsfreiheit zu erkaufen, eilte es ihm nicht, in den Palast zurückzukehren.
    Die Frau, die ich liebe und für die ich mein Leben riskiert habe, verabscheut mich, als wäre ich Ungeziefer. Nein, das stimmt nicht — Ungeziefer würde sie vergleichsweise in den Himmel heben. Am Hof überlebe ich nur durch die Gunst ebenjenes Mannes, dem ich sein Opfer entwendet habe, und der mich ohne Zögern umbringen wird, wenn er es jemals herausfindet. Und jetzt war ich auch noch gezwungen, für mein letztes Geld meine eigene Mutter zu dingen — eine Frau, der ich bereitwillig noch mehr Geld gegeben hätte, nur um nichts mit ihr
zu
tun haben zu müssen. Könnte mein Leben elender sein?
    Erst später begriff Matty Kettelsmit, dass die Götter in diesem Moment seine provozierenden Worte vernommen und gelacht haben mussten. Es war wohl der beste Witz, den sie an diesem Tag gehört hatten.
    »Heda«, sagte eine bullige Gestalt, die ihm in den Weg getreten war. »Na, so eine Überraschung. Dich kenne ich doch? Du bist der Schlappschwanz, dem ich noch eine Tracht Prügel schulde.«
    Kettelsmit sah erschrocken auf. Vor ihm standen zwei Hünen, gekleidet wie Hafenarbeiter. Beide waren in keiner Weise angenehme Erscheinungen, aber der vordere hatte ein blasses, teigiges Gesicht, das ihm bestürzend bekannt vorkam.
    O Götter, was war ich für ein Narr, euch herauszufordern! Das ist der verdammte Soldat aus dem
Dachsenstiefel —
der, der mich
zu
Mus prügeln wollte, weil ich ihm sein Weibsbild weggenommen hatte.
Aber der bullige Mann trug jetzt keinen Soldatenrock mehr. War das gut? Oder noch schlimmer?
    »Ich fürchte, Ihr verwechselt mich, guter Mann ...«, sagte er, den Blick zu Boden gerichtet, und wollte einen Schritt zur Seite machen. Eine Hand so groß wie ein Waisenfestschinken schoss hervor, krallte sich in den Kragen seiner Jacke und hielt ihn eisern an Ort und Stelle fest.
    »Oh, das glaube ich nicht, Kamerad. Ich glaube, ich

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