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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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kleinen Raum, den ein an einem schartigen Holztisch sitzender bärtiger Hüne fast gänzlich ausfüllte.
    »Ich sehe, ihr habt ihn gefunden.« Avin Brones Grinsen erinnerte Kettelsmit an zähnefletschende Wölfe oder hungrige Bären. »Er kam wohl gerade aus seiner ... Liebeslaube?«
    Matty Kettelsmit, ohnehin schon völlig verängstigt, hätte beinah aufgeschrien. Wusste Brone alles? Nein — das konnte nicht sein? Bestimmt glaubte er, Kettelsmit hätte bei den Anlegern irgendein heimliches Stelldichein gehabt.
    »Davon weiß ich nichts, Herr«, sagte der Wachsoldat, der Interesse daran bekundet hatte, Kettelsmit mehrfach gegen eine Mauer fallen zu helfen. »Wir haben nur da gewartet, wo Ihr gesagt habt, und da war er.«
    »Schön. Kommt ein andermal vorbei, dann bekommt ihr euren Finderlohn. Gute Arbeit, Männer.«
    »Danke, Herr«, sagte der Wachsoldat. »Heute Abend? Sollen wir heute Abend kommen?«
    »Was?« Brone war mit den Gedanken bereits woanders. »Oh, wie ihr wollt. Traut ihr mir nicht bis Letzttag?«
    »Doch, natürlich, Herr. Es ist nur ... wir brauchen Sachen.« Teiggesicht sah seinen Kumpan an, und der nickte.
    »Also gut.« Er wedelte mit der Hand, und die beiden Männer verschwanden.
    Unbehaglich lange herrschte in dem kleinen Raum Stille, während Brone Kettelsmit von oben bis unten musterte, so wie ein Fleischer ein totes Tier taxiert, das er gleich in Koteletts zu zerlegen gedenkt. Matty Kettelsmit, der mit zittrigen Knien vor ihm stand, konnte nicht umhin sich zu fragen, ob das ein Trick war. War es so gedacht, dass er jetzt, da die Wachen fortgeschickt worden waren, einen Fluchtversuch unternehmen sollte? Suchte Brone einen Vorwand, um ihn zu töten? Nein, das ergab keinen Sinn. Dass Brone ihm gedroht hatte, war lange her, und seitdem hatte sich viel geändert. Avin Brone übte nur noch formal die Regentschaft über Südmark aus — Kettelsmit wusste, dass er sein Amt als Konnetabel schon vor Monaten an einen von Tollys Leuten, den brutalen Berkan Hud, verloren hatte. Sein Bart war jetzt mehr grau als schwarz, und der Graf von Landsend wirkte, so das überhaupt möglich war, noch beleibter als früher. Warum sollte er es immer noch auf den armen Kettelsmit abgesehen haben?
    »Warum bin ich hier, Herr?«, traute er sich schließlich zu fragen.
    Brone starrte ihn noch einen Moment an, ehe er sich vorbeugte. Seine zusammengezogenen Augenbrauen sahen aus, als könnten sie jeden Augenblick aus seinem Gesicht springen und wie Fledermäuse davonflattern. Er hob die Hand und richtete den dicken Zeigefinger genau auf seinen Gefangenen. »Ich ... mag ... keine ...
Dichter.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Kettelsmit aufhören konnte zu schlucken. »E-e-es t-tut mir leid«, stammelte er schließlich. »Ich wollte nicht ...«
    »Maul halten, Kettelsmit.« Unvermittelt schlug Brone so fest mit der Hand auf den Tisch, dass die Wände des kleinen Raums erzitterten. Kettelsmit musste sich eingestehen, dass er wohl einen mädchenhaften, kleinen Schrei ausgestoßen hatte. »Ich weiß alles über dich«, fuhr der massige Mann fort. »Hochstapler. Schmeichler. Herumtreiber und Tunichtgut. Das bisschen Erfolg, das du hattest, verdankte sich der Tatsache, dass du Erfolgreicheren in den Hintern gekrochen bist, vorwiegend solchen wie Nevin Kennit und seiner Bagage, die der Abschaum der Erde sind.« Brone sah ungeheuer finster drein; wenn er gesagt hätte, er werde Kettelsmit bei lebendigem Leibe verspeisen wie ein böser Riese in einem Kindermärchen, hätte es der Dichter geglaubt. Doch stattdessen war die Stimme des Grafen von Landsend jetzt plötzlich leiser, tiefer, bebend von einem Zorn, der Schlimmeres zu verheißen schien, als Matty Kettelsmit sich ausmalen konnte. »Aber dann bist du im Palast gelandet. Verhaftet. Der verbrecherischen Absicht überführt, die königliche Familie auszunutzen. Und statt dass dir der Kopf abgehackt wurde, wie es einem sich in der Gosse suhlenden Verräter gebührt, ward dir ein Geschenk zuteil, wie es einem Helden zukäme — Prinzessin Brionys persönliche Gönnerschaft und ein Platz bei Hofe. Oh, wie musst du dir da ins Fäustchen gelacht haben.«
    »Ich ... habe nicht
gelacht,
Herr ...«
    »Maul halten. Und wie vergiltst du diese erstaunliche Güte? Indem du eine hochgeborene Frau mitten aus dem königlichen Palast entführst und als deine Gefangene hältst? Bei den Dreien, die Folterer werden sich die Nächte um die Ohren schlagen, um neue Methoden zu ersinnen, dir das

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