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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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fing sich eine Rückhand-Ohrfeige ein, als sie sich loszureißen versuchte. »Verdammt und zugenäht, Mutter, lass das jetzt und hör mir zu?«
    »Ich bleibe nicht unter einem Dach mit deinem Flittchen?«, kreischte sie, während sie noch immer gegen seinen Klammergriff ankämpfte. Ein paar Passanten waren stehen geblieben, um diese interessante Darbietung zu verfolgen; andere Nachbarn schauten aus ihren Obergeschossfenstern herab. Kettelsmit fluchte leise.
    »Komm einfach herein. Ich werde es dir erklären. Um aller Götter willen, Mutter, hörst du jetzt auf?«
    Sie durchbohrte ihn mit einem zornigen Blick, leichenblass bis auf die roten Flecken auf ihren Wangen.
    »Ich werde dir nicht helfen, das ungeborene Kind dieses Mädchens zu töten, du Hurenbock! Ich kenne die Leute an diesem Hof mit ihren verdorbenen Sitten. Dein Vater hat dir Bücher vorgelesen, als du klein warst, trotz all meiner Warnungen — ich wusste, dass er dir einen Floh ins Ohr setzen würde? Ich wusste, dass du dir einbilden würdest, du könntest dich über deinen Stand erheben?«
    »Was für ein götterverdammtes Kuddelmuddel — Mutter, du wirst jetzt
ruhig sein und zuhören!«
Er zog sie wieder hinein, schloss die Tür und lehnte sich dagegen, um ihr den Fluchtweg zu versperren. »Dieses Mädchen ist ohne Fehl, genau wie ich — nun ja, jedenfalls habe ich ihr nichts getan. Es gibt kein ungeborenes Kind. Verstehst du? Es gibt kein Kind!«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Was? Hast du deine frevlerische Tat bereits begangen, ein unschuldiges Kindlein getötet, und willst jetzt von mir, dass ich sie gesundpflege?«
    Er ließ den Kopf hängen und betete um Geduld, obwohl er sich etwas unsicher war, wer der beste Adressat für diese Bitte sein könnte. Zosim, sein Schutzpatron, war bekannt für sein Desinteresse an dieser speziellen Tugend, ja an Tugend überhaupt. Schließlich richtete er sein Gebet an die Göttin Zoria, die im Ruf stand, in solchen Dingen gut zu sein.
    Falls sie mich je erhört, jetzt, da ich ihr Gedicht schon so lange hinausschiebe.
Aber was sollte er denn tun, wenn seine Muse Prinzessin Briony, Zorias irdische Inkarnation, verschwunden war?
Damit begann mein Niedergang. Aber mein Aufstieg war ja nur so kurz! Zoria, ich habe doch sicher ein wenig Mitleid verdient?
    Ob es nun das Werk der Göttin war oder nicht, er fühlte sich prompt etwas ruhiger. Elan begann sich zu regen, als tauche sie aus großer Tiefe empor, die Augen noch immer geschlossen, das blasse Gesicht unglücklich und verwirrt.
    »Hör mir genau zu, Mutter. Ich habe das edle Fräulein Elan vor jemandem gerettet, der ihr Böses will.« Er wagte ihr nicht zu sagen, dass der Mann, vor dem er sie gerettet hatte, Hendon Tolly war, der selbsternannte Protektor des Reiches — seine Mutter hatte eine tiefe, irrationale Ehrfurcht vor jedweder Art von Autorität und würde womöglich geradewegs hinausmarschieren und sie beide denunzieren. »Sie ist krank, weil ich ihr eine Medizin geben musste, um sie heimlich aus dem Palast zu bringen und den Fängen dieses Mannes zu entreißen. Sie hat nichts Unrechtes getan, verstehst du? Sie ist ein Opfer — wie Zoria, du weißt doch? Wie die göttliche Zoria selbst, die in den Schnee hinausgetrieben wurde, allein und ohne Freunde.«
    Seine Mutter blickte zutiefst argwöhnisch von ihm zu Elan. »Wie soll ich das glauben? Wie soll ich sicher sein, dass du mich nicht zum Narren hältst? ›Die Götter helfen denen, die ihre eigenen Felder fegen‹, wie es geschrieben steht.«
    »Hegen.
Ihre eigenen Felder hegen. Aber wenn du mir nicht glaubst, kannst du sie ja selbst fragen, sobald sie aufwacht.« Er zeigte auf den kleinen Tisch in der Zimmerecke. »Da sind eine Schüssel und ein Lappen. Sie muss gewaschen werden, und ... es erschien mir nicht schicklich, das selbst zu tun. Ich werde euch beiden etwas zu essen bringen und noch mehr Decken aus dem Palast.«
    Der Gedanke an Decken aus dem Palast reizte sie sichtlich, doch so leicht war seine Mutter denn doch nicht zu überreden. »Aber wie lange muss ich hier bleiben? Wo soll ich schlafen?«
    »Du kannst natürlich im Bett schlafen.« Er hatte die Tür geöffnet und war schon halb draußen. »Das ist ein großes Bett. Die Matratze ist voll mit weichem, sauberem, frischem Stroh.« Er machte einen weiteren Schritt rückwärts. Gleich geschafft. Gleich ...
    »Das wird dich einen Seestern kosten«, sagte sie. »Pro Woche.«
    »Was?« Empörung kochte in ihm hoch. »Einen Silberseestern? Welche

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