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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Handelsschiffe vom Hafen zum Bazaar brachten. Ochsen muhten, Männer brüllten, Kinder kreischten und lachten, wenn sie aus dem Weg gescheucht wurden — es war genau die Sorte lebendiges Straßenbild, die in Vo den Wunsch weckte, ein heftiger Eissturm würde von Norden hereinbrechen und alles gefrieren lassen, eine Decke des Schweigens über die ganze Gegend breiten. Das wäre sehenswert? All die jammernden, erschrockenen Fratzen, erstarrt wie Fische in einem gefrorenen Teich, und zu hören nur der liebliche, nichtmenschliche Gesang des Windes.
    Vo ging von Marktstand zu Marktstand und fragte die Händler, wo er einen Apotheker namens Kimir finde, an dessen Namen sich einer der Seeleute von einem bösen Ausbruch von Lustblattern auf einer früheren Reise erinnert hatte. Manche waren erbost, weil sie bei ihren Vorbereitungen für den Markttag von jemandem gestört wurden, der gar nicht die Absicht hatte, Geld auszugeben, doch ein Blick in Vos kalte Augen machte sie respektvoll und hilfsbereit. Schließlich fand er den Laden in einer Zeile dunkler, weinberankter Häuser, ein paar hundert Schritt den ersten Hügel hinauf, am hinteren Rand des Bazaars.
    Der Laden selbst war genau so, wie er erwartet hatte, die Decke voller Spinnweben und Schnüre, an denen Blätter, Blüten, Früchte, Zweige und Wurzeln hingen, der Boden bedeckt mit Körben, Schachteln und Tongefäßen, manche davon mit Wachs oder gar Blei verpfropft. Neben dem Tisch an einer Wand stand ein übermannshoher Schrank mit Dutzenden winziger Schubladen, bei weitem das teuerste Möbelstück im Raum. Auf einem Stuhl daneben saß ein bärtiger alter Mann mit einem schmuddeligen Gewand und dem schwarzen, spitzen Hut, der in dieser Weltgegend üblich war. Bei Vos Eintreten blickte er kurz von der Schublade auf, die er gerade inspizierte, begrüßte aber seinen neuen Kunden nicht weiter.
    »Ihr seid Malamenas Kimir?«, fragte Vo.
    Der alte Mann nickte langsam, als wäre ihm das eben erst wieder eingefallen. »So sagen die Leute — aber die sagen ja auch vieles, was nicht stimmt. Was kann ich für Euch tun, Fremder?«
    Vo drückte die Tür hinter sich fest zu. Der Alte sah wieder auf, jetzt mit gelindem Interesse. »Ist sonst noch jemand im Laden?«, fragte Vo.
    »Bei mir arbeitet niemand außer meiner Schwester«, sagte Kimir leise lächelnd. »Und die ist älter als ich, falls Ihr mich also ausrauben oder ermorden wollt, habt Ihr wohl nicht viel zu befürchten.«
    »Ist sie jetzt hier?«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Zu Hause, der Rücken schmerzt ein wenig. Ich habe ihr eine milde Wasserschierlingstinktur gegeben. Ausgezeichnet, das Zeug, führt aber zu Bauchkrämpfen und Flatulenz, deshalb habe ich ihr gesagt, sie braucht nicht zu kommen.« Er legte den Kopf schief und musterte Vo wie ein Vogel, der etwas Glänzendes beäugt. »Nun, ich wiederhole meine Frage von eben — was kann ich für Euch tun?«
    Vo trat näher heran. Die meisten Leute zuckten unwillkürlich zurück, wenn Daikonas Vo sich ihnen näherte, doch der Apotheker schien ungerührt. »Ich brauche Hilfe. Ich habe ... etwas in mir. Es soll mich töten, wenn ich nicht tue, was mein Herr will. Ich gebe mein Bestes, ihm zu Diensten zu sein, aber ich fürchte, selbst wenn ich es schaffe, wird er mich womöglich nicht kurieren.«
    Kimir nickte. Jetzt schien er interessiert. »Ah, ja, wer so etwas tut, um sicherzustellen, dass seine Untergebenen Resultate bringen, ist nicht unbedingt jemand, dem man vertraut, dass er hinterher angemessene Dankbarkeit zeigt. Es ist nicht zufällig Roter Schlangenwurz, den er Euch zu essen zwang? Sagte er, Ihr hättet zwei oder drei Tage, bevor Euch das Gift töten würde?«
    »Nein. Ich habe das schon seit Monaten in mir.«
    »Könnte es Aelians Fluxativ sein? Hat er Euch gewarnt, keinesfalls Fisch zu essen?«
    »Ich habe seither oft Fisch gegessen. Es gab keine solche Warnung.«
    »Hmmm. Faszinierend. Dann müsst Ihr mir genau erzählen, was geschehen ist ...«
    Daikonas Vo beschrieb, was im Thronsaal des Autarchen passiert war, wenn er auch nicht offenbarte, wer sein Herr war. Als er den Todeskampf von Sulepis' Vetter schilderte, wurden Kimirs Augen groß, und ein breites Grinsen enthüllte seine gelben Zähne.
    »... und dann hat er gesagt, in meinem Wein sei es ebenfalls gewesen«, erklärte Vo. »Und wenn ich nicht täte, was er wolle, werde mir das Gleiche widerfahren.«
    »Was es zweifellos wird«, sagte Kimir händereibend. »Oh, das ist wirklich

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