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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Okros, dem neuen Hofarzt, befindet. Schau nicht so besorgt, Kettelsmit, es ist kein besonderer Wertgegenstand — einfach nur ein Spiegel.«
    Ein Spiegel? Konnte es der sein, den Tolly dazu benutzt hatte, Elan zu foltern? Aber nur ein Narr oder ein Wahnsinniger würde einem solchen Ding zu nahe kommen!
    Matty Kettelsmit starrte den Grafen mit wachsendem Entsetzen an. »Ihr — Ihr hattet nie vor, es Tolly zu melden. Er hat Euch hinausgeworfen! Ihr wolltet nur einen Spion?«
    Avin Brone lehnte sich zurück und verschränkte die Finger auf seinem dicken Bauch. »Beschwere deinen Kopf nicht mit Wahrheit, Dichter. Das ist nicht dein Fachgebiet.«
    Kettelsmits Herz raste, aber jetzt war er wütend, wütend und beschämt, weil er sich so gründlich hatte übertölpeln lassen. »Und wenn ich nun zu Tolly gehe und ihm sage, dass Ihr versucht habt, mich zum Spion in seinem Lager zu machen?«
    Brone warf den Kopf zurück und lachte. »Und wenn du's tust? Willst du, dass er meine Version der Geschichte hört — die Wahrheit über das edle Fräulein Elan? Und selbst wenn ich deshalb ebenso in Schwierigkeiten käme wie du, habe ich einen Besitz hübsch weit weg von Südmark, auf den ich mich zurückziehen kann, und Männer, die mich beschützen. Und was hast du, kleiner Schreiberling? Nur einen Hals, den die Axt des Scharfrichters durchtrennen wird wie eine feine Wurst.«
    Unwillkürlich griff sich Kettelsmit an die Kehle. »Aber was ist, wenn Tolly mich erwischt?« Er war schon wieder den Tränen nahe.
    »Dann bist du in der gleichen Lage, wie wenn ich ihm sage, was du getan hast. Der Unterschied ist: Wenn du tust, was ich will, liegt es an dir, keine Scherereien zu bekommen. Wenn ich es Tolly sagen würde — tja, dann würden dich die Scherereien zweifellos sehr schnell ereilen.«
    Kettelsmit starrte den alten Mann an. »Ihr ... Ihr seid ein Dämon.«
    »Ich bin Politiker. Das ist ein Unterschied, aber du bist zu grün, um ihn zu verstehen. Jetzt hör gut zu, Dichter, wenn ich dir erkläre, was du für mich zu tun hast ...«

13

Tropfen von der Nadel
    Als Hierosol noch kaum mehr als ein Küstendorf war, so heißt es, habe jenseits der Straße von Kulloan eine große Qar-Stadt namens Yashmaar gelegen. Der Handel zwischen den Menschen des Südkontinents und dieser Qar-Festung sei ein Grund für das rasche Wachstum Hierosols gewesen.
    Eine Abhandlung über die Elbenvölker Eions und Xands
    Barrick Eddon.
Was für ein seltsamer Name. Zunächst wusste Qinnitan gar nicht, warum er ihr im Kopf herumging, während sie im Dunkeln lag. Immer und immer wieder dieser Name, wie Worte aus einem der Gebete, die ihr Vater sie gelehrt hatte, als sie klein gewesen war.
Barrick. Barrick Eddon. Barrick
    Dann kam es ihr wieder: der Traum. Sie wollte sich aufsetzen, doch Spatz lag an sie geschmiegt und hielt sie umschlungen, und es wäre schwierig gewesen, ihn von ihr zu lösen, ohne ihn zu wecken.
    Was hatte das zu bedeuten — diese Vision? Sie hatte den flammenhaarigen Jungen schon mehrmals im Traum gesehen, aber diesmal war es anders gewesen: Auch wenn sie sich nicht an alles erinnern konnte, was sie zueinander gesagt hatten, hatte doch ein richtiges Gespräch zwischen ihnen stattgefunden. Aber warum war ihr diese Gabe verliehen worden, wenn es denn wirklich eine Gabe war? Was beabsichtigten die Götter? Wenn die Vision von den heiligen Bienen kam, denen sie gedient hatte, von den Goldenen Bienenstöcken des Nushash, hätte ihr dann nicht eher eine Freundin aus jener Zeit im Traum erscheinen müssen — Duny zum Beispiel? Warum ein Nordländerjunge, den sie im wirklichen Leben nie gesehen hatte?
    Dennoch ging ihr Barrick Eddon einfach nicht aus dem Kopf, und nicht nur, weil sie jetzt endlich seinen Namen kannte. Sie hatte seine Verzweiflung gefühlt, als wäre es ihre eigene — nicht wie sie Spatz' Niedergeschlagenheit fühlte, sondern so, als teilte sie tatsächlich die Gefühle im Herzen des Fremden, als durchströmte sie beide dasselbe Blut. Aber das konnte ja gar nicht sein ...
    Qinnitan spürte, wie Spatz seine Lage veränderte, und blickte ins Dunkel empor. Sie wusste nicht einmal, welche Tageszeit war, ob Nacht oder Morgen, da ihre Kabine keine Fenster hatte und die Geräusche der Seeleute draußen ihr nicht viel verrieten: Sie kannte die Abläufe an Bord noch nicht gut genug, um an den Stimmen und Zurufen hören zu können, um welche Wache es sich handelte.
    Wie sehnte sie sich nach etwas Licht? Die Seeleute wollten ihr keine Lampe

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