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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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mit Licht, mit Sternengefunkel, so wie der Nachthimmel, das Dunkel, das lockende Dunkel ...
    Bumm!
Und dann splitterte etwas, und das Wasser ... die Luft ... Rauch ... wirbelte, und über ihr loderten Flammen, und Gestalten taumelten in die trübe Kabine — dunkle, brüllende Gestalten in rotem flackerndem Licht, wie Teufel, die sich auf dem Grund der Hölle tummelten. Qinnitan konnte nur hinstarren und sich fragen, was da geschah, als kräftige Hände sie packten und von Spatz wegzogen. Sie wurde geschultert und die Stufen jenseits der zertrümmerten Tür hinaufgeschleppt, hüpfend wie ein Sattel mit gerissenem Gurt.
    Sie fand eine Spur von Stimme wieder, schwach wie ein Flüstern. »Holt den Jungenl Holt Spatzl Lasst ihn nicht dort unten!«
    Ehe sie sehen konnte, ob die Soldaten den stummen Jungen herausbrachten, wurde sie unsanft auf dem Deck abgelegt. Überall war Feuer, nicht nur in den Decksplanken, sondern auch am Mast und noch höher: Flammen tobten in den Segeln und tanzten durch das Takelwerk wie boshafte Dämonenkinder. Einige Seeleute schleuderten Wasser aus Eimern in das Lodern, aber es war, wie Steinchen auf einen Sandsturm zu schmeißen.
    Ein anderer Soldat warf Spatz neben ihr ab. Der Junge lebte, bewegte sich ein klein wenig, war aber kaum bei Bewusstsein. Sie starrte dumpf auf das Chaos, rennende, schreiende Männer, brennende Taue, die von oben herabsausten wie die Höllenpeitsche des Xergal, dann fiel ihr wieder ein, was sie getan hatte. Welchen Horror ihre kleine Kerze entfesselt hatte? Qinnitan mühte sich auf die Knie empor. Spatz zu sich bringen zu wollen, war sinnlos: Mochte das Wasser ihn wecken oder aber vollenden, was das Feuer nicht ganz geschafft hatte.
    Diesmal werde ich mit Sicherheit sterben, ehe ich ihn mir von irgendjemandem wegnehmen lasse ...
    Sie wartete ein paar stolpernde Herzschläge lang, bis die nächststehenden Männer ihr den Rücken kehrten, hob dann den schlaffen Körper des Jungen, so gut sie konnte, hoch und stolperte an die Reling. Sie lehnte sich mit dem Rücken dagegen, hievte Spatz empor, bis er über ihrer Schulter lag, und klammerte sich dann an ihn, als sein Gewicht sie beide über Bord riss.
    Sie fielen länger, als sie erwartet hatte, so lange, dass sie sich fragen konnte, ob der Tod im kalten Wasser besser wäre als der im Feuer. Dann schlugen sie auf dem Wasser auf, und grünes Dunkel schloss sich um sie wie eine Faust.

14

Drei Narben
    Ehe die Vutten aus ihren jetzt jenseits der Schattengrenze liegenden Landen vertrieben wurden, war der nördlichste Vorposten des Menschengeschlechts die vuttische Stadt Jipmalshemm. In Schriften, die dorther stammen, ist oft von einem schrecklichen
Ort
namens ›Ruohttashemm‹ die Rede — der Heimstatt der ›Kaltelben‹. Man nannte diesen
Ort
auch ›das Ende der Welt‹.
    Eine Abhandlung über die Elbenvölker Eions und Xands
    Barrick Eddon trieb auf dem Dunkel dahin wie ein Blatt auf einem langsamen Fluss. Die Gedanken, die ihn ausmachten, glichen sich dieser Strömung an: Was sie an Komplexität einbüßten, gewannen sie an mühelosem Dahinfließen. Es war friedlich, sogar angenehm, nichts zu sein, nichts zu wollen, doch der Teil von ihm, der noch Barrick war, spürte, dass solcher Friede nicht von Dauer sein konnte.
    Und er war nicht von Dauer. Stimmen kamen aus dem Nichts — drei ineinander verflochtene Stimmen, drei Stimmen, die als eine sprachen, ihn mit einem Gewirr von Worten umgaben, die ihre Bedeutung nur nach und nach offenbarten.

    ... Vor langer Zeit, als die Traumlosen sich von ihrer Sippe lossagten, geschah dies, weil ihr ewiges Wachsein sie verrückt gemacht hatte. Den Angehörigen des Volkes hat stets der Schlaf den Schmerz ihres langen Lebens betäubt, und selbst jene Höchsten und Langlebigsten, die Kinder der Feuerblume, können auf eine Art ruhen und ihren Geist frei schweifen lassen. Doch den Schmerz der Traumlosen linderte kein solcher Friede, und sie waren für immer in der hallenden Höhle ihres eigenen Denkens gefangen.
    So kam es, dass sie sich von ihren Brüdern, vom Rest des Volkes, abkehrten und in die Wildnis gingen, um sich ein neues Leben zu erschaffen. Im Wald jenseits der Verlorenen Lande bauten sie eine große Stadt und nannten sie Schlaf und man ist sich nicht einmal darüber einig, ob diese Namensgebung wütender Trotz gegen das Volk war, das sie verlassen hatten, oder der traurigste aller Scherze.
    Nichts ist bitterer als eine gespaltene Familie. Als die Jahre dahinsausten, kam

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