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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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uns allen genommen haben.«
Und Barrick fühlte einen ätzenden Schmerz, den er weder durch einen Laut noch durch eine Bewegung äußern konnte.
    Die Götter straften ihn, das war klar. Noch mehr Pein konnte er nicht ertragen. Nur noch das kleinste Unbehagen, und sein Kopf würde lodern und aufplatzen wie ein Pinienzapfen im Feuer.
    »Ich bin so trocken wie die Knochen, auf denen wir sitzen«,
sagte der alte Huuruen mit bebender Stimme.
»Tränen oder Speichel habe ich nicht mehr und auch sonst keins der Körperwasser. Ich habe nur noch mein Blut, und selbst das ist staubtrocken.«
Das Messer hob und senkte sich zum dritten Mal, grub sich in seinen verkrüppelten Arm wie ein weißglühender Zahn. Barrick konnte kaum noch denken, kaum noch etwas hören.
»Doch das Blut von Träumern könnte am Ende etwas wert sein ...«
    Etwas rieselte in seine Wunde, pulvrig, aber gleichzeitig rauh und scharf, als riebe jemand winzige Glassplitter in die blutende Stelle. Der Schmerz war überall und unerträglich, wie bissige Ameisen, die über sein blankes Fleisch wimmelten. Welle um Welle der Qual überspülte ihn. Barrick driftete immer weiter davon, wie Treibholz auf heißen, dunklen Wogen, doch schließlich verebbte der Schmerz etwas, und er merkte, dass da wieder die Stimmen waren.
    »Jetzt bist du stärker — anders. Wir haben dir alles gegeben, was wir noch hatten, damit du eine Chance hast, unseren Träumen Sinn
zu
verleihen. Doch nun schwinden wir dahin — wir werden nicht mehr lange mit dir sprechen können.«
Hikats harte Stimme wurde jetzt fast schon sanft.
»Hör gut
zu
und lass uns nicht im Stich, Kind zweier Welten. Es gibt
nur
eine Möglichkeit, wie du das Haus des Volkes und den blinden König erreichen kannst, ehe es
zu
spät ist — du musst Krummlings Straßen nehmen, die deinen Weg so vor dir falten werden, dass du zwischen die Mauern der Welten treten kannst. Um das
zu
tun, musst du in Schlaf die Halle finden, die seinen Namen trägt.«
    »Die meisten dieser Straßen sind dir versperrt«,
sagte Hau, dessen Stimme jetzt ferner klang als zuvor.
»Eine nur kannst du vielleicht rechtzeitig finden und nehmen, weil sie nicht weit von hier ist. Sie befindet sich in der Stadt Schlaf — der Heimat unserer Sippe. Aber wisse, dass die Traumlosen, die dort wohnen, Sterblichen mit noch mehr Hass begegnen als den Herren von Qul-na-Qar.«
    »Doch selbst wenn unsere Essenzen ihn befähigen, jene kalten, dunklen Orte zu überleben, die Krummling durchquerte, wird es doch nichts nützen.«
Hikat klang jetzt wieder ärgerlich.
»Schaut ihn doch an — wie will er durch Krummlingshall gelangen? Wie will er die Tür öffnen?«
    »Das entzieht sich unserem Wissen«,
sagte Hau.
»Wir haben nichts mehr zu geben. Ich fühle schon jetzt die äußeren Winde durch mich hindurchwehen.«
    »Dann war alles umsonst.«
    »Leben heißt immer verlieren«,
murmelte der Alte.
»Vor allem, wenn man etwas gewinnt.«
    Barrick fand etwas von seiner Kraft wieder, obwohl der Schmerz immer noch in ihm brodelte wie flüssiges Metall in einem Schmelztiegel. »Wovon sprecht ihr?«, fragte er. »Ich verstehe nichts? Ist das alles ein Traum?«
    Haus Stimme war jetzt kaum mehr als ein Flüstern.
»Natürlich. Aber dennoch wahr. Und wenn du schließlich Krummlingshall erreichst, denk an dieses eine, Kind — keine Sterblichenhand vermag die Tür dort
zu
öffnen. So steht es im Buch selbst — keine Sterblichenhand!«
    »Ich verstehe euch nicht?«
    »Dann wirst du sterben, Welpe«,
sagte die dahinschwindende Hikat.
»Die Welt wird nicht darauf warten, dass du es verstehst. Die Welt wird dich und alle von deiner Art umbringen. Das Zeitalter des Leidens wird beginnen, und ihr werdet alle dafür bestraft werden, dass ihr sie so lange draußen in der Kälte gelassen habt.«
    »Wen? Dass wir wen draußen gelassen haben?«
    »Die Götter«,
stöhnte der alte Huuruen.
»Die zornigen Götter.«
    »Ihr sagt, ich soll in die Stadt der Traumlosen gehen?« In den sicheren Tod, nur um der Chance willen, gegen die Götter selbst zu kämpfen? Das war doch völliger Wahnsinn. »Warum sollte ich
irgendetwas
von alldem glauben?«
    »Weil wir die Schläfer sind, die Träumer«,
murmelte einer von ihnen — vielleicht Hau. »
Und weil wir ganz in ihrer Nähe gelebt haben. Nah genug, um ihre Traumgedanken
zu
hören, die in unseren Ohren tosen wie das Meer.«
    »Wessen
Gedanken? Meint ihr die Götter?«
    »Blicke zurück, wenn du gehst.«
Die Stimme war jetzt so schwach, dass er

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