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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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es zwischen den Mitgliedern des Volkes und ihren niemals schlafenden Brüdern zu Streit und Blutvergießen. Aus der Ferne wurde Feindschaft. Die Traumlosen verehrten nicht einmal mehr die Götter, die sie einst geliebt hatten, bis schließlich die Tempel und heiligen Stätten von Schlaf verfielen.
    In den vielen Jahrhunderten seit der Abspaltung hat unter all den Traumlosen das Blut des Volkes nur uns drei hervorgebracht, die wir schlummern, wie unsere Vorfahren schlummerten. Und in diesem Schlummer träumen wir weit und klar.
    Von allen geächtet, wurden wir aus Schlaf vertrieben, doch auch in den Hallen unserer Vorfahren, dem Haus des Volkes, waren wir unerwünscht. So gingen auch wir in die Wildnis und leben jetzt schon so lange in der grimmen Wüstenei, dass wir nicht einmal mehr wissen, auf welchen Wegen wir hierher gelangt sind, und nicht mehr hier herausfänden, selbst wenn wir es wollten.
    Aber wir schlafen immer noch, und wenn wir schlafen, träumen wir. In diesen Träumen sehen wir, was sein wird oder zumindest was vielleicht sein könnte — in jedem Traum gibt es Schatten und Wirrwarr, echte Gesichte, vermischt mit falschen. Aber wir wissen, es hat einen Grund, dass wir drei anders erschaffen wurden. Wir wissen, dass unsere Träume bedeutsam sind. Und wir wissen auch, dass sonst niemand, ob sterblich oder unsterblich, die Gabe jener Visionen erhalten hat, die uns gewährt werden.
    Wir wissen nicht, wem wir die Gabe dieser ketzerischen Träume verdanken oder warum wir erwählt und dann dazu verdammt wurden, so viele Jahrhunderte darauf zu warten, die Gabe zu gebrauchen. Wir wissen nur, unsere Gabe zu ignorieren hieße, das Eine und Einzige zu verraten, das alle Welt und alle Zeit zusammenhält — den Geist, dessen Wort und Gedanke das Buch des Feuers in der Leere ist —, und damit zugleich das Eine und Einzige, das unserer eigenen Existenz ein Fünkchen Bedeutung verleihen könnte ...
    Diese Worte, diese Gedanken waren Barricks einzige Gefährten in der Leere. Die Drei-die-als-Eins-sprachen lösten sich wieder in drei getrennte Stimmen auf, jede mit ihrem eigenen Charakter, aber um ihn war immer noch Dunkel: Nur die Stimmen der Schläfer hielten ihn.
    »Was sollen wir tun?«,
fragte die erste, freundlichste Stimme.
»Die Geschichte entspinnt sich, aber die Personen sind am falschen Ort oder ihre Auftritte und Abgänge erfolgen zum falschen Zeitpunkt.«
    »Es musste ja schiefgehen. Ich habe es doch gesagt.«
Die schroffe Stimme. Zornig ... oder ängstlich?
    »Haben wir das schon mal erlebt?«
An diese Stimme erinnerte er sich gut — alt und verwirrt. Der Name ... der Name war so ähnlich gewesen wie Wind an einem einsamen Ort, ein klagendes Seufzen.
»Ich erinnere mich nicht. Mir ist kalt und ich habe Angst. Wenn die Gewaltigen zurückkommen, werden sie schrecklich zornig auf uns sein.«
    »Wir tun das ja nicht für uns, sondern für die Geschichte. Nicht einmal die Götter können eine Geschichte zunichte machen, die wir alle gemeinsam ..«
    »Falsch«,
sagte die scharfe, wütende Stimme
»Sie können sie so lange aufhalten, bis die Form bedeutungslos wird — bis die Geschichte so lange gebraucht hat, um wahr
zu
werden, dass sie nicht mehr wiederzuerkennen ist. Der Schluss kann länger hinausgezögert werden, als die Welt selbst besteht.«
    »Nur wenn wir kapitulieren«,
sagte der erste Schläfer
»Nur wenn wir unsere eigenen Träume widerrufen.«
    »Ich wünschte, ich träumte nicht«,
sagte die alte Stimme.
»Es hat immer nur Leid gebracht. Wir hatten einmal eine Familie, ihr wisst doch . .«
    Huuruen.
So hieß der Alte mit der jammernden Stimme. Huuruen. Und die anderen Namen hatten geklungen wie ...
    »Schweig. Es ist Zeit
zu
überlegen, was wir tun können. Ihr habt doch den blinden König gehört. Dieser Kleine hier, diese junge Kreatur der Sonne, muss bald
zu
ihm gelangen, sonst ist alles verloren.«
    »Ihr müht euch umsonst. Kann dieser kleine Bastard fliegen? Nein. Es ist aus, ich sage es euch.« Hikat, diese heißt Hikat,
fiel es Barrick wieder ein — ein Klang wie eine Axt, die in Holz fährt. Hikat. Und der andere hieß ...
    ... Hau. »Es ist nicht aus. Es gibt einen Weg. Er kann Krummlings Straße nehmen.«
    »Er weiß doch nicht wie — und kann es auch nicht lernen, ehe Jahre vergangen sind.«
    »Ich wusste es einst«,
meldete sich der alte Huuruen wieder.
»Oder nicht? Ich glaube, ich wusste es. Ich glaube, ich erinnere mich an Krummlings Straßen, und sie waren kalt und

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