Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Stadt nicht verraten. Sonst verlieren wir alles und sind nichts mehr, und das wäre schlimmer als der Tod.«
»Aber das ganze Land ist nichts mehr«, sagte Gilgel mit hämischer Stimme. »Und dennoch speit es Leben aus und tanzt ungelenk.«
Wie immer versuchten alle, seine Worte zu ignorieren, aber es gelang ihnen nicht ganz.
Wenige Tage nach dieser kurzen Diskussion schliefen Koaron und Glai miteinander. Es war ein eigentümlicher Vorgang, weil es für Koaron erst das dritte Mal war, dass er mit einer Frau zusammenlag, und weil Glai beinahe alt genug war, um seine Mutter zu sein. Aber sie taten es, so vorsichtig und diskret, dass beinahe alle nahen Menschen ringsum keinen Unterschied feststellen konnten zu ihrem herkömmlichen Schlummern. Nur eine ältere Steuerfrau von einer anderen Miralbra bemerkte etwas und nickte den beiden wohlwollend zu, während sie sich langsam aufschaukelten. Danach streichelten Koaron und Glai sich gegenseitig die Gesichter und schliefen ein, eng aneinandergedrückt, sodass es aussah, als spendete Glai dem Jungen Trost.
Der Maulwurf lebte zwei weitere Wochen. Er wühlte und scharrte, immer in Panik, kaum jemals schlafend, buddelte und ackerte, als hinge das Wohl der ganzen Welt von ihm ab. Er zerbiss Käfer und saugte ausgepresste Würmer in sich hinein, bis Adain regelmäßig schlecht wurde.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie übernahm die Kontrolle über ihn, wurde der Maulwurf, anstatt nur ein Fremdkörper in ihm zu sein, und zwang ihn dazu, sich an die Oberfläche zu wühlen. Dort hockte er schnaufend und zittrig und gab auf dem Untergrund, der noch heller war als sein ausgebleichtes Fell, ein hervorragendes Ziel ab. Ein Seevogel auf Beutesuche, eine weißgefiederte Korallenmöwe, ließ sich dieses Angebot nicht zweimal unterbreiten. Sie schnappte sich den Maulwurf und schlang ihn hinunter, und Adain verspürte Todesfurcht und die Pein des Zerquetschtwerdens, bevor es ihr endlich gelang, sich in dem Vogel festzusetzen.
Als dieser sich dann zu waghalsigen Manövern in die Lüfte schwang, wurde Adain abermals kotzübel.
Heln, Tsesins Sohn, stattete dem Ketzerkerker einen Besuch ab. Er trug ein weißes Tuch vor Mund und Nase, weil der Gestank anders nicht zu ertragen war. Auch der Vorleser und seine ihn flankierenden Beschnittenen trugen mittlerweile solche Tücher, und die Stimme des Vorlesers klang unter dem Schutztuch ähnlich dumpf wie die von Gilgel unter seiner Maske.
Heln wollte wissen, wie es der Besatzung des Schiffes, auf dem sein Vater gefahren war, erging. Er kam allein, ohne Eskorte, und wahrscheinlich allein schon deshalb wichen die Gefangenen, so gut es ihnen der begrenzte Platz ermöglichte, ehrfurchtsvoll vor ihm zurück.
Tibe und Jitenji berichteten Heln von ihrer Not. »Das Wasser schmeckt wie bereits ausgeschieden, und das Weißbrot macht nicht satt, sondern hungrig.«
»Ich werde sehen, ob ich mich für euch verwenden kann. Aber ich bin nur ein kleiner Unteroffizier bei den Beschnittenen .«
»Es gibt Ränge bei euch?«, erkundigte sich Tibe.
»Ja, natürlich. Anders kann man eine Armee nicht strukturieren.«
»Aber ist es denn nicht unbescheiden , über den anderen zu stehen?«
Heln lächelte und sah seinem Vater dadurch wieder sehr ähnlich. »Es geht nicht anders. Hört mir zu: Warum tut ihr nicht einfach, was man von euch verlangt? Legt euren erfundenen Gott ab und akzeptiert die reine Wahrheit: Es gibt die Wüste und das Meer, und wir Menschen sind in beidem nur geduldet, keinesfalls die Herren.«
»Bist du glücklich, Heln?«, fragte Glai. Auch sie kannte den Überläufer noch als aufgeweckten Knaben.
»Wie meinst du das? Glücklich in welcher Hinsicht?«
»Man erzählte sich immer, du seist der Liebe wegen übergelaufen.«
»Das stimmt. Sie war eine Gefangene in unseren schrecklichen Gatterdocks. Habt ihr die denn nie gesehen? Ich habe mich immer gefragt, wie man so etwas dulden kann. Und ausgerechnet ich sollte sie zum Kämpfen zwingen gegen eine andere Gefangene. Mit Stricknadeln als Waffen, das sollte lustig sein. Handarbeit machende, bestrickend blutverschmierte Frauen. Ich konnte es nicht. Ich habe beiden zur Flucht verholfen und bin selbst mitgeflüchtet.«
»Und? Seid ihr noch zusammen?«
Heln lächelte. »Das ist eine eigenartige Geschichte. Ich bin jetzt mit der anderen von den beiden zusammen. Mit der, in die ich ursprünglich gar nicht verliebt war.«
»Und?« Glai ließ nicht locker. »Bist du glücklich?«
»Glück
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