Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
Gegenstände im Haus von Adain und ihrem Mann war ein von den Kindern handbemalter Teller aus einem hellen, muschelschalenartigen Material. Adain nahm diesen Teller zwischen ihre rosafarbenen, vom vielen Geschirrabwaschen rissigen Hände und zerbrach ihn, zerbrach auch seine Trümmer, bis zwischen ihren Fingern hervor weißer Wüstenstaub auf den Teppich rieselte.
XI
Morgenzorn
Als Adains Mann an diesem Tag zur selben Zeit wie immer von der Arbeit nach Hause kam, widerfuhr ihm etwas Unerhörtes. Seine Frau packte ihn, zerrte ihn ins Schlafzimmer, schleuderte ihn aufs Bett, riss ihm die schlichten Kleider vom Leib und nötigte ihn zum Beischlaf. Der arme Mann war so erschrocken, und ihr Griff in seine Behaarungen war dermaßen schmerzhaft, dass er überhaupt nichts zustande bekam. Mit geringschätzigem Gesicht warf ihn seine Frau aus dem Bett. Dann zog sie sich kurz entschlossen etwas über und verließ das Haus, um niemals wiederzukehren.
Adain verstieß sich selbst.
Sie hatte sich ohnehin die Namen ihrer Kinder nie merken können.
Auf dem schon längst vom Sandwind verpflügten Schlachtfeld vor der Stadt fahndete sie eine ganze Nacht lang nach Die Stimme und Das Schweigen . Sie hatte die beiden gegossen und geformt, die Klingen waren ihre eigentlichen Kinder. Doch sie konnte sie nirgends finden, ihre schwere Aura inmitten all der nachlässigen Verschüttung nicht orten. Wo mochten sie sein? Hatte der dunkle König sie mit sich genommen, weil sie zur Farbe seiner Schenkel passten? Sie spürte ein tiefes Bedürfnis, zu ihm zu gehen. Es war wie ein leidenschaftliches Sehnen. Abermals wollte sie ihn konfrontieren und diesmal siegreich sein, nicht mehr zu überraschen durch seine Andersartigkeit. Doch sie widerstand. Sie fühlte sich nackt und schutzlos ohne ihre beiden Klingen und unzulänglich in diesem allzu weichlichen Gehäuse, das nur zum Dulden und Ducken geeignet schien, zur Bescheidenheit .
Frühmorgens durchstreifte sie die Stadt Kirr. Die Einwohner starrten sie jetzt an, denn die Wüste hatte ihr langes Haar in Unordnung gebracht. Schließlich fand sie ihre Klingen. Sie saßen wie eingerissene Splitter der Schwärze in der hellen, abgezirkelten Sauberkeit der Innenstadt. Ein Altwarenhändler musste das Schlachtfeld heimgesucht haben. Er hatte den Toten das Verwertbare entwendet, darunter auch die beiden Klingen, die so schwer waren, dass niemand sie zu handhaben verstand. In seinem Laden hingen sie jetzt in einer Art Holzgestell, das sich unter ihrem Gewicht bog.
Adain betrat den Laden. Die Bescheidenen brauchten nicht viel, um Tauschhandel zu treiben, aber der Händler konnte sofort sehen, dass die Frau mittleren Alters überhaupt nichts bei sich führte. Auch schienen ihre Füße schmutzig zu sein.
»Womit kann ich dir dienen, meine Schwester?«, fragte er unterwürfig, indem er sich hastig zwischen sie und seine Waren schob.
Sie antwortete ihm nicht, ihr Blick galt starr den fremden Klingen. Sie nahm sie aus dem ächzenden Gestell. Sie handhabte sie. Es sah aus, als würden sie zu ihr gehören. Der Händler, der sich noch gut daran erinnern konnte, dass er die Klingen erworben hatte, ohne etwas dagegen einzutauschen, und wie schwer es ihm damals gefallen war, die Klingen überhaupt anzuheben, beschloss, den Wert seines Lebens über den willkürlicher Fundsachen zu stellen. Er zog sich wortlos in den Hintergrund des Raumes zurück und schien dort mit seinem Schrott zu verschmelzen. Adain verließ den Laden, ohne ihn eines einzigen Blickes gewürdigt zu haben.
Sie ging durch die Straßen. Sie fiel auf. Man deutete auf sie, wisperte, tuschelte. Sie suchte und fand die Belüftungsritzen des Ketzerkerkers. Dort blieb sie stehen, atmete, bis sie zitterte. Der Geruch war geradezu betäubend. So voller ungenutzter Möglichkeiten. Wie ein randvoll kreisender Dämonenschlund aus Menschen.
Sie wusste nicht, wo der Eingang zum Kerker zu finden war. Sie hatte keine Lust, umständlich danach zu suchen.
Langsam hob sie Die Stimme und ließ die tief unter der Erde gefertigte Klinge auf die Straße niederkrachen.
Das Gewölbe erzitterte wie unter einem Beben. Gleichzeitig begann es zu dröhnen wie eine Glocke, und da die Schläge sich fortsetzten, siegte das zugespitzt Glockenhafte über das ziellos Bebende.
Die Gefangenen sprangen auf, so hastig sie das noch konnten: mit zaghaften, fahrigen Bewegungen. Wie Betrunkene, eingelegt in bräunlichen Dunst.
Einer verlor vollkommen den Verstand. Es war einer der
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