Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten
während der Maulwurf sie verzehrte. Der Hund in ihr hatte sich gut angefühlt, so, als würde sein Fell sie von innen wärmen. Sie vermisste ihn und fragte sich, wo er hingegangen war.
Dann lebte sie weiter in dem Aschenmaulwurf.
Sie übernahm ihn nicht, drängte sich in seinem winzigen Bewusstsein nicht nach vorne. Das Risiko war zu groß. Sie wusste nichts über Maulwürfe, nichts darüber, wie sie sich ernähren und verhalten mussten, um überleben zu können. Wenn sie den Maulwurf lenkte, konnte es passieren, dass er irgendwo elendiglich zugrunde ging, ohne sofort verzehrt zu werden, und das barg dann wieder die Gefahr des Vergessens und Zerteilens. Das Totsein in dem nach Menschenvorbild modellierten Leib war verhältnismäßig komfortabel gewesen. Ein Mensch war groß, Adain hatte in dem hermaphroditischen Körper umhergehen und studieren können, eigentlich genauso wie die 210 Jahre im entleerten Dämonenschlund. Bis die Würmer endlich kamen, wahrscheinlich nur Stunden oder höchstens Tage nach der Verscharrung, war ihr die Zeit nicht lang geworden. Aber in einem Maulwurf gab es kaum etwas zu sehen oder zu tun. Selbst wenn sie sich unermesslich klein machte, konnte Adain ihn viel zu schnell durchmessen. Langeweile und Ungeduld waren schädlich für einen Wiederkehrer . Sie konnten das Bewusstsein ebenso beeinträchtigen wie allzu große Verteilung. Also ließ sie den Maulwurf sich selbst steuern, lebte in ihm vor sich hin, harrte der Dinge und hoffte darauf, dass der blinde, hektische Geselle mit den riesigen Schaufelhänden und der zitternden Nase bald gefressen werden würde.
Koarons Schulter heilte langsam, ebenso wie Glais Bein.
Seit annähernd vier Wochen waren sie nun im Ketzerkerker zusammengepfercht, und da man ohnehin nur, betäubt gehalten von den atemberaubenden Ausdünstungen der vielen Menschenleiber, halb ohnmächtig vor sich hin dösen oder den immer gleichen Lektionen des Vorlesers lauschen konnte, war die Umgebung der körperlichen Regeneration von Schwertwunden sogar einigermaßen förderlich. Nur auf Infektionen musste geachtet werden, und hier trugen die beiden Schiffsärztinnen maßgeblich dazu bei, dass ausreichend Trinkwasser für die Wundreinigung bereitgestellt wurde.
Koaron und Glai konnten kaum fassen, dass sie zwar nun langsam ins Bewusstsein und ins Leben zurückkehrten, aber nur, um in einer solchen diesigen Hölle zu verschimmeln. Sämtliche Einflüsterungen des Vorlesers waren spurlos an ihnen vorübergegangen, während bei einigen anderen der Gefangenen sich schon eine Bereitschaft abzeichnete, die Prinzipien der Bescheidenheit zumindest nicht mehr als widernatürlich zu empfinden. Die Steuerfrau Zimde hatte sich eines Tages bei einem den Vorleser begleitenden Beschnittenen erkundigt: »Warum verkündet ihr uns immer wieder eure Gebote?«
»Weil wir euch die Möglichkeit geben wollen, Buße zu tun«, hatte der Beschnittene geantwortet.
»Und was würde aus uns werden, wenn wir bereit wären, Buße zu tun?«
»Wenn ihr keine Ketzer mehr wärt, wärt ihr vielleicht auch keine Gefangenen mehr.«
Über diese Aussagen waren heftige Diskussionen ausgebrochen. Einige der Gefangenen meinten, die Bescheidenen gäben ihnen somit eine Möglichkeit, freizukommen. Andere winkten ab und behaupteten, das sei rein metaphorisch gemeint. Man könne auch im Gefängnis frei sein, wenn man nur den richtigen Glauben hätte. Wieder andere waren bereits so erschöpft und müde, dass sie jegliche Form von Bewegung und Diskussion fürchteten.
Die ehemalige Besatzung der Miralbra Liv erwog ausführlich das Für und Wider.
»Das kann doch wohl nicht euer Ernst sein«, schleuderte Koaron den anderen entgegen, die bereits sehr viel mürber waren als er jetzt nach seinem langen Wunddämmerzustand. »Man schlägt euch, foltert euch hier – und ihr wollt zu ihnen überlaufen?«
»Du bist ungerecht«, sagte Bakenala zu ihm. »Wir haben von unserem Trinkwasser abgegeben, damit deine Schulter gewaschen werden konnte. Jetzt geht es dir besser und uns immer schlechter. Wir können einfach nicht mehr.«
»Mir geht es kein bisschen besser, wenn ich in eure abgezehrten Gesichter blicken muss.« Koaron hatte tatsächlich Schwierigkeiten, den anderen in die Augen zu sehen. Er schämte sich für seine Schwäche und war gleichzeitig wütend auf ihre. »Was sagst du denn dazu, Glai?«, forderte er.
Glai schluckte schwer, bevor sie sprach. »Ich sage, wir dürfen unseren Gott, unseren Fürsten und unsere
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