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Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten

Titel: Die Daemonen 03 - Am Ende der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ist … bei uns Bescheidenen nicht so bedeutend. Wir dienen dem König und der Wüste. Und wenn es uns das gestattet, auch dem Meer. Alles andere ist nebensächlich.«
    Koaron dachte unterdessen darüber nach, den Beschnittenen anzugreifen. Er war ganz allein gekommen, und er trug mindestens einen Perlmuttklingendolch bei sich. Mit einem Perlmuttklingendolch konnte man gewiss einen der Nahrungszuteiler überwältigen, vielleicht sogar die Eskorte des Vorlesers. Dann hätte man zwei weitere Schwerter. Wie bei einer Schuttlawine der Zerbrochenen Berge konnte der Aufstand sich ausweiten.
    Aber es würde natürlich auffallen, wenn Heln nicht mehr zurückkehrte. Man würde als Nächstes nicht den Vorleser oder Nahrung schicken, sondern die Männer mit den Artischockenkeulen. Koaron fiel zum ersten Mal so richtig auf, dass die Bescheidenen die Gefangenen vollkommen in ihrer Gewalt hatten. Sie konnten alles tun, alles mit ihnen anstellen. Sie brauchten nicht einmal mit Gewalt vorzugehen. Sie konnten die Wasser- und Brotversorgung einstellen und sie alle einfach zugrunde gehen lassen. Niemand würde sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Niemand wusste überhaupt, dass Aztrivavezer die sinnlose Schlacht überlebt hatten. Niemand außer Gott. Und der, behaupteten die Bescheidenen , war nichts weiter als ein Wunschtraum.
    Koaron unternahm nichts. So erfuhr er nicht einmal, ob er überhaupt in der Lage gewesen wäre, Heln zu überwältigen.
    Die Korallenmöwe würgte den Maulwurf für ihre Jungen wieder aus. Adain musste sich entscheiden. In den Jungen würde es bedeutend ruhiger zugehen, denn die saßen noch im Nest. Aber andererseits hätte sie als Nesthocker kaum eine Möglichkeit, abermals den Wirt zu wechseln, und sie hatte nicht vor, monatelang eine Möwe zu bleiben. Also blieb sie im Muttertier. Im Mutterleib. Und flog durch das wolkige Blau des Himmels über das gischtende Grün der See, immer auf der schwindelerregenden Jagd nach etwas Fressbarem für den unersättlichen Nachwuchs.
    Adain stellte fest, dass das Mitfliegen, ohne sich orientieren zu können, unerträglich war. Sie wusste nie, wann es aufwärts oder abwärts ging. Ob die Möwe bereits Felsen unter den Füßen hatte oder gerade stabil im Wind segelte. Sie spürte Regen und peitschende Gischt als verwechselbare Irritationen. Sie nahm die Nacht wahr als Phase der Ruhe und den Tag als Phase der Unrast, aber die Dämmerungen und das Zwielicht wurden ihr ein Rätsel, in dem alles oder nichts passieren konnte. Jedes Ding schmeckte und roch nach Fisch, und sie wusste nie, wann der nächste heruntergeschlungene Brocken alle Räume in der Möwe eng machen würde. Sie geriet in Panik, wenn die Möwe von ihren unerbittlichen Kindern hungerwütend angeschrien wurde.
    Also entschied sie sich, sehen zu können. Sehen war wichtig, wichtiger noch als hören. Sie wanderte im Bewusstsein der Möwe nach vorne, um zumindest an ihren Eindrücken teilnehmen zu können. Das war nicht einfach, eine Balance musste gefunden werden. Eine Zeit lang torkelte die Möwe durch die Lüfte, weil Adain zu viel Einfluss auf ihre Sicht und ihr Koordinationsvermögen ausübte. Adain musste sich wieder zurücknehmen. Im Laufe einiger Tage jedoch fand sie die richtige Größenordnung. Sie konnte sehen, ohne zu stören.
    Jetzt begann das Leben richtig Spaß zu machen.
    Adain lachte, zum ersten Mal überhaupt, seitdem sie den Dämonenschlund verlassen hatte. Kein Mensch hatte sie zum Lachen gebracht, sondern das Tiersein.
    Sie schnappte unvorsichtige Fische aus den zart durchscheinenden Spitzen der Wogen.
    Sie hüpfte ruckartig über den Strand, knackte Muscheln und schnäbelte Seeschneckenhäuser leer.
    Sie sah Meeresungeheuer, die mit ihren gewaltigen Fluken auf die Oberfläche des Wassers schlugen und es in eine flüchtige Weiß-Sagung zu verwandeln schienen.
    Sie schmeckte und roch sogar den Fisch und die Muscheln, und diese Nahrung war wie eine Gesamtheit, wie ein niemals zur Neige gehender Vorrat an allem, was man brauchte, nur dass es eben mühselig und kraftraubend war, diesen Vorrat auszuschöpfen und zu teilen.
    Und dann endete es.
    Ein Strandjunge aus Kirr erlegte die Möwe mit einem möwengefiederten Pfeil.
    Adain schrie und weinte und tobte und blieb im Kadaver gefangen, in einem erkaltenden Rippenkäfig, dessen wärmende Federhülle keinerlei tröstende Wirkung mehr hatte.
    Nur allmählich beruhigte sie sich und wartete auf Krabben, die die Möwe fressen würden. Doch der Strandjunge

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