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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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in Florida zu geben. Übrigens ist Rose wirklich charmant.«
    »Ich verstehe«, erwidert sie, während sich der Wagen vom Hotel entfernt. »Ich sitze gerade im Taxi und bin auf dem Weg zum Flughafen. Wir müssen uns also kurz fassen.«
    Ihr barscher Ton rührt eher daher, dass sie sich über ihr früheres Büro ärgert als über ihn. Dass ihre Geheimnummer weitergegeben wird, ist glatte Schikane - und passiert ihr nicht zum ersten Mal. Einige Mitarbeiter im Büro des Chefpathologen halten ihrer ehemaligen Vorgesetzten auch weiterhin die Treue. Andere hingegen sind Verräter und hängen ihr Mäntelchen nach dem Wind.
    »Es dauert nicht lange«, antwortet Dr. Lanier. »Ich möchte Sie nur bitten, sich für mich einen Fall noch einmal anzusehen, Dr. Scarpetta. Er ist acht Jahre alt und nie zufrieden stellend aufgeklärt worden. Eine Frau starb unter verdächtigen Umständen; auf den ersten Blick schien es sich um eine Überdosis Drogen zu handeln. Haben Sie je von Charlotte Dard gehört?«
    »Nein.«
    »Ich habe soeben neue Informationen erhalten und weiß nicht, ob sie etwas wert sind. Allerdings möchte ich das nur ungern am Mobiltelefon erörtern.«
    »Ist es ein Fall aus Baton Rouge?« Scarpetta kramt einen Notizblock und einen Stift aus ihrer Handtasche.
    »Das ist eine lange Geschichte. Aber ja, es ist in Baton Rouge passiert.«
    »War es Ihr Fall?«
    »Ja. Ich würde Ihnen gern die Berichte, Dias und den Rest zuschicken. Offenbar muss ich mich noch einmal mit dieser Sache beschäftigen.« Er zögert. »Wie Sie sich vermutlich denken können, habe ich keinen großen Etat...«»Die Leute, die mich anrufen, haben nie einen Etat, der Beraterhonorare vorsieht«, fällt sie ihm ins Wort. »Das war bei mir in Virginia nicht anders.«
    Sie bittet ihn, ihr die Unterlagen per FedEx zuzustellen, und gibt ihm ihre Adresse.
    »Kennen Sie zufällig eine Kriminalpolizistin namens Nic Robillard aus Zachary?«, fügt sie hinzu.
    Eine Pause entsteht. »Ich glaube, ich habe vor ein paar Monaten mal mit ihr telefoniert. Sie wissen sicher, was zurzeit bei uns los ist.«
    »Wie sollte mir das entgangen sein? Schließlich kam es überall in den Nachrichten«, erwidert Scarpetta vorsichtig über das Motorengeräusch des Taxis und den Verkehrslärm zur Stoßzeit hinweg.
    Weder ihr Tonfall noch ihre Ausdrucksweise verraten, dass sie über weitere vertrauliche Informationen zu diesem Fall verfügt. Ihr Vertrauen in Nic sinkt um ein paar Punkte, als sie überlegt, ob diese vielleicht Dr. Lanier angerufen und über sie gesprochen hat. Ein Grund dafür ist schwer vorstellbar - außer, sie wollte dem Leichenbeschauer einen Gefallen tun und hat ihm deshalb vorgeschlagen, Dr. Scarpetta könnte ihm vielleicht weiterhelfen. Scarpettas Unterstützung könnte wirklich sehr wertvoll für ihn sein, falls er sie jemals in Anspruch nehmen sollte. Möglicherweise hat er ja wirklich nur Fragen zu diesem alten Fall, von dem er ihr gerade erzählt hat. Natürlich ist auch denkbar, dass er ihre Bekanntschaft sucht, weil er sich mit den Serienmorden allein überfordert fühlt.
    »Wie viele forensische Pathologen arbeiten für Sie?«, fragt Scarpetta.
    »Einer.«
    »Hat Nic Robillard Sie wegen mir angerufen?«
    »Warum sollte sie das?«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Nein, zum Teufel«, sagt er.

10
    In einem staubigen Fenster rattert eine Klimaanlage. Es ist ein für April ungewöhnlich heißer Nachmittag, als Jay Talley Fleisch in kleine Stücke zerhackt und diese in den blutigen Plastikeimer unter dem zerkratzten Holztisch fallen lässt, an dem er sitzt.
    Der Tisch ist wie alles in dieser Fischerhütte alt und hässlich, ein Möbelstück, wie es die Leute vor ihrer Auffahrt abstellen, damit es vom Sperrmüll abgeholt oder von Schnäppchensuchern mitgenommen wird. Doch für Jay ist sein Arbeitsplatz etwas Besonderes, und er bleibt geduldig, als er, im Versuch, den Tisch am Wackeln zu hindern, immer wieder die Kleiderfetzen unter den Tischbeinen zurechtschiebt. Er schneidet lieber nicht auf einer Fläche, die sich ständig bewegt, doch in dieser verzogenen kleinen Welt sind gerade Linien etwas nahezu Unmögliches. Der graue Holzboden senkt sich so sehr, dass man ein Ei von der Kochnische bis auf den Bootssteg rollen könnte, wo manche Bohlen weggefault sind und andere sich wie abgestorbene Haarspitzen nach oben kräuseln.
    Er schlägt nach den Moskitos, leert eine Dose Budweiser, zerdrückt sie und wirft sie durch die offene Fliegentür hinaus. Erfreut stellt

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