Die Dämonen
gesehen!«
»Um so weniger Anlaß ist zu solchen Gefühlsergüssen ...«
»Mon enfant!«
»Na, ich glaube ja, ich glaube ja, daß du mich liebst; nimm nur deine Arme weg! Du störst ja die andern ... Ah, da ist ja auch Nikolai Wsewolodowitsch! Na, nun laß endlich die Torheiten, ich bitte dich!«
Nikolai Wsewolodowitsch war tatsächlich bereits im Zimmer; er war sehr leise eingetreten, war einen Augenblick in der Tür stehen geblieben und überschaute mit ruhigem Blicke die Versammelten.
Wie vor vier Jahren, als ich ihn zum erstenmal sah, so war ich auch jetzt beim ersten Blick auf ihn überrascht. Ich hatte ihn keineswegs vergessen; aber es gibt, wie es scheint, Physiognomien, die immer, jedesmal wenn sie einem vorkommen, gleichsam etwas Neues mit sich bringen, etwas, was man an ihnen noch nicht bemerkt hat, wenn man ihnen auch hundertmal vorher begegnet ist. Anscheinend war er ganz derselbe wie vor vier Jahren, ebenso elegant, ebenso gemessen, ebenso würdevoll in seinem Gange wie damals, sogar beinah ebenso jung. Sein leises Lächeln zeigte dieselbe förmliche Freundlichkeit und dieselbe Selbstzufriedenheit; sein Blick war ebenso ernst, nachdenklich und anscheinend zerstreut. Kurz, es war mir, als hätten wir uns erst gestern voneinander getrennt. Aber eines überraschte mich: wenn man ihn auch früher schön gefunden hatte, so hatte sein Gesicht doch tatsächlich einer Maske ähnlich gesehen, wie sich die bösen Zungen mehrerer Damen unserer höheren Gesellschaftskreise ausgedrückt hatten. Jetzt aber, jetzt aber erschien er mir, ich weiß nicht warum, gleich beim ersten Blick entschieden und unbestreitbar als ein schöner Mann, so daß man in keiner Weise mehr sagen konnte, sein Gesicht habe Ähnlichkeit mit einer Maske. Ob dies daher kam, daß er etwas blasser geworden war als früher und anscheinend auch etwas magerer? Oder leuchtete jetzt vielleicht in seinem Blicke eine neue Sinnesart?
»Nikolai Wsewolodowitsch!« rief Warwara Petrowna, indem sie sich in ihrem Lehnstuhle gerade aufrichtete, sich aber nicht von ihm erhob, und hielt ihren Sohn durch eine gebieterische Handbewegung zurück, »bleib da noch einen Augenblick stehen!«
Aber um die schreckliche Frage verständlich zu machen, die auf diese Handbewegung und diesen befehlenden Anruf folgte, eine Frage, die ich sogar in Warwara Petrownas Munde nicht für möglich gehalten hätte, muß ich den Leser bitten, sich daran zu erinnern, wie eigenartig Warwara Petrownas Charakter während ihres ganzen Lebens war, und von welcher ungewöhnlichen Heftigkeit er in manchen außerordentlichen Augenblicken sein konnte. Ich bitte den Leser auch zu bedenken, daß trotz der großen seelischen Festigkeit und trotz der bedeutenden Portion von Vernunft und von praktischem, ja sozusagen sogar wirtschaftlichem Taktgefühl, welche sie besaß, es doch in ihrem Leben nicht an Momenten fehlte, in denen sie sich auf einmal ganz und, wenn man sich so ausdrücken kann, völlig zügellos gehen ließ. Schließlich bitte ich noch, in Betracht zu ziehen, daß der gegenwärtige Augenblick tatsächlich für sie einer von denen sein konnte, in denen sich plötzlich wie in einem Brennpunkte der gesamte Inhalt des Lebens, der ganzen Vergangenheit, der ganzen Gegenwart und womöglich auch der ganzen Zukunft konzentriert. Ich erinnere auch noch beiläufig an den anonymen Brief, den sie empfangen und von dem sie kurz vorher in so gereiztem Tone zu Praskowja Iwanowna gesprochen hatte, wobei sie, wie es schien, den weiteren Inhalt des Briefes verschwiegen hatte; aus diesem Briefe erklärte es sich aber vielleicht, wie sie dazu kam, sich plötzlich mit dieser schrecklichen Frage an ihren Sohn zu wenden.
»Nikolai Wsewolodowitsch,« sagte sie, indem sie jedes Wort mit fester Stimme und im Tone einer drohenden Herausforderung deutlich artikulierte, »ich bitte Sie, sagen Sie sogleich, ohne von diesem Platze wegzugehen: ist es wahr, daß diese unglückliche, lahme Frauensperson (die da, sehen Sie sie an!), ist es wahr, daß sie ... Ihre legitime Ehefrau ist?«
Ich erinnere mich sehr genau an diesen Augenblick; Nikolai Wsewolodowitsch zuckte mit keiner Wimper und blickte seine Mutter unverwandt an; auf seinem Gesichte vollzog sich nicht die geringste Veränderung. Endlich lächelte er langsam mit einer Art von Herablassung, trat, ohne ein Wort zu erwidern, sachte an seine Mutter heran, ergriff ihre Hand, führte sie respektvoll an die Lippen und küßte sie. Und sein steter,
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