Die Dämonen
Petrowna. Nikolai Wsewolodowitsch nannte diesen Herrn damals seinen Falstaff; das muß wohl«, fügte er zur Erklärung hinzu, »früher einmal ein burlesker Charakter gewesen sein, über den alle sich lustig machten, und der selbst nichts dagegen hatte, daß alle über ihn lachten, wenn sie ihm nur Geld gaben. Nikolai Wsewolodowitsch führte damals in Petersburg ein sozusagen spöttisches Leben; mit einem andern Ausdruck kann ich es nicht bezeichnen: Blasiertheit liegt ihm fern, eine ernste Beschäftigung aber verschmähte er damals. Ich rede nur von der damaligen Zeit, Warwara Petrowna. Dieser Lebjadkin hatte eine Schwester, ebendieselbe, die soeben hier gesessen hat. Bruder und Schwester hatten keine eigene Wohnung und nomadisierten bei anderen Leuten. Er trieb sich in den Bogengängen des Kaufhofes umher, wobei er stets seine frühere Uniform trug, und hielt anständig aussehende Passanten an, und was er bekam, vertrank er. Seine Schwester nährte sich wie die Vögel unter dem Himmel. Sie half in fremden Wohnungen und verrichtete Magddienste für den notwendigsten Unterhalt. Es war ein wüstes, unordentliches Leben, von dem ich keine genauere Schilderung geben will; aber an diesem Leben beteiligte sich damals infolge einer wunderlichen Laune auch Nikolai Wsewolodowitsch. Ich rede nur von der damaligen Zeit, Warwara Petrowna, und was die wunderliche Laune anlangt, so ist das sein eigener Ausdruck. Er ist gegen mich sehr offenherzig. Auf Mademoiselle Lebjadkina, mit der Nikolai Wsewolodowitsch eine Zeitlang häufig zusammentraf, machte sein Äußeres großen Eindruck. Er war sozusagen ein Brillant auf dem schmutzigen Hintergrunde ihres Lebens. Ich verstehe mich schlecht auf die Schilderung von Gefühlen und gehe deshalb darüber hinweg; aber elende Gesellen machten das Mädchen sofort zur Zielscheibe ihres Spottes, und da versank sie in Traurigkeit. Man hatte sich dort überhaupt von jeher über sie lustig gemacht; aber früher hatte sie das gar nicht bemerkt. Ihr Kopf war schon damals in Unordnung, wenn auch nicht so wie jetzt. Es ist Grund zu der Annahme vorhanden, daß sie in ihrer Kindheit durch eine Wohltäterin eine leidliche Erziehung und Bildung erhalten hat. Nikolai Wsewolodowitsch wandte ihr nie die geringste Aufmerksamkeit zu und spielte lieber mit alten schmutzigen Karten um eine Viertelkopeke Preference mit kleinen Beamten. Aber einmal, als sie von einem solchen Beamten beleidigt wurde, da faßte er, ohne viel zu fragen, diesen am Rockkragen und warf ihn aus dem zweiten Stockwerk durchs Fenster. Von ritterlicher Entrüstung zugunsten der beleidigten Unschuld war dabei nicht die Rede; der ganze Vorgang spielte sich unter allgemeinem Gelächter ab, und am meisten von allen lachte Nikolai Wsewolodowitsch selbst; und als alles glücklich abgelaufen war, versöhnten sie sich und fingen an, Punsch zu trinken. Aber die verfolgte Unschuld selbst vergaß diese Begebenheit nicht. Natürlich endete die Sache mit einer vollständigen Zerrüttung ihrer geistigen Fähigkeiten. Ich wiederhole, ich verstehe mich schlecht auf die Schilderung von Gefühlen; aber hier war die Hauptsache ein Hang zu phantastischer Träumerei. Und Nikolai Wsewolodowitsch nährte wie mit Absicht diesen Hang bei ihr noch mehr: statt über sie zu lachen, begann er auf einmal ihr mit überraschender Hochachtung zu begegnen. Kirillow, der dort lebte (er ist ein außerordentliches Original, Warwara Petrowna, und ein äußerst wortkarger Mensch; Sie werden ihn vielleicht einmal zu sehen bekommen; denn er wohnt jetzt hier), na also dieser Kirillow, der gewöhnlich immer schweigt, der wurde da auf einmal hitzig und sagte, wie ich mich erinnere, zu Nikolai Wsewolodowitsch, dieser behandle das Fräulein wie eine Marquise und richte sie damit vollständig zugrunde. Ich füge hinzu, daß Nikolai Wsewolodowitsch vor diesem Kirillow eine gewisse Achtung empfand. Und was meinen Sie, daß er ihm antwortete? ›Sie glauben, Herr Kirillow,‹ sagte er, ›daß ich mich über sie lustig mache; aber seien Sie versichert, ich schätze sie wirklich hoch; denn sie ist besser als wir alle.‹ Und wissen Sie, das sagte er in durchaus ernstem Tone. Dabei hatte er in diesen zwei, drei Monaten außer ›Guten Tag‹ und ›Adieu‹ in Wirklichkeit zu ihr kein Wort gesprochen. Ich, der ich damals dort lebte, erinnere mich zuverlässig, daß sie schließlich dahin gelangte, ihn für ihren Liebhaber zu halten, der einzig deswegen nicht wage, sie zu entführen, weil er
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