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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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gewiß schwebte ihm etwas der Art vor. Jetzt verlangte es ihn, zu beleidigen, Schaden anzurichten, seine Macht zu zeigen.
    »Bitte, klingeln Sie, Stepan Trofimowitsch!« bat Warwara Petrowna.
    »Lebjadkin ist schlau, gnädige Frau!« sagte er häßlich lächelnd und mit den Augen zwinkernd; »er ist schlau; aber auch für ihn gibt es ein Hindernis, eine Vorhalle der Leidenschaften! Und diese Vorhalle, das ist die alte Husaren-Feldflasche, die Denis Dawydow besungen hat. Und wenn er sich in dieser Vorhalle befindet, gnädige Frau, dann kommt es vor, daß er einen hochpoetischen Brief absendet, einen ganz prächtigen Brief, den er aber nachher mit den Tränen seines ganzen Lebens wieder zurückkaufen möchte; denn die Empfindung des Schönen wird verletzt. Aber wenn der Vogel einmal ausgeflogen ist, kann man ihn nicht mehr am Schwanze fassen! In dieser Vorhalle also, gnädige Frau, konnte Lebjadkin auch über ein edles Mädchen etwas in Gestalt einer edlen Entrüstung seiner durch Kränkungen aufgewühlten Seele sagen, was dann seine Verleumder ausgenutzt haben. Aber Lebjadkin ist schlau, gnädige Frau! Und vergebens sitzt der böse Wolf lauernd neben ihm und gießt ihm alle Augenblicke ein und wartet auf das schließliche Ergebnis; aber Lebjadkin verplappert sich nicht, und auf dem Boden der Flasche findet sich jedesmal statt der erwarteten Auskunft – Lebjadkins Schlauheit! Aber genug davon, oh, genug davon! Gnädige Frau, Ihre prächtigen Gemächer könnten dem Edelsten aller Sterblichen gehören; aber die Schabe murrt nicht! Achten Sie wohl darauf, achten Sie wohl darauf, daß die Schabe nicht murrt, und erkennen Sie ihre Geistesgröße an!«
    In diesem Augenblicke ertönte von unten, aus der Portierloge, die Glocke, und unmittelbar darauf erschien, etwas verspätet nach Stepan Trofimowitschs Klingeln, Alexei Jegorowitsch. Der alte würdige Diener befand sich in ungewöhnlicher Aufregung.
    »Nikolai Wsewolodowitsch sind soeben angekommen und kommen hierher,« sagte er als Antwort auf Warwara Petrownas fragenden Blick.
    Ich erinnere mich mit besonderer Deutlichkeit an ihr Aussehen in diesem Augenblicke: zuerst wurde sie blaß; dann fingen ihre Augen auf einmal an zu funkeln. Sie richtete sich in ihrem Lehnstuhl mit der Miene festester Entschlossenheit gerade auf. Aber auch alle übrigen waren überrascht. Nikolai Wsewolodowitschs ganz unerwartete Ankunft, die wir erst etwa in einem Monat erwartet hatten, erschien nicht nur durch ihre Plötzlichkeit seltsam, sondern besonders auch durch ihr verhängnisvolles Zusammentreffen mit der augenblicklichen Situation. Sogar der Hauptmann blieb wie ein Pfahl mitten im Zimmer stehen, sperrte den Mund auf und blickte mit furchtbar dummem Gesichte nach der Tür.
    Da ließen sich aus dem anstoßenden Saale, einem langen, großen Raume, Schritte vernehmen, die sich schnell näherten, kleine, außerordentlich rasch aufeinander folgende Schritte; es war, als ob jemand angerollt käme; und plötzlich kam der Ankömmling in den Salon hineingeeilt, – aber es war gar nicht Nikolai Wsewolodowitsch, sondern ein uns allen völlig unbekannter junger Mensch.
     
Fußnoten
     
    1 Der Schwan.
    Anmerkung des Übersetzers.
     
     
V.
    Ich erlaube mir, hier einen Augenblick stehen zu bleiben und, wenn auch nur mit ein paar flüchtigen Strichen, diese plötzlich erschienene Person zu skizzieren.
    Es war ein junger Mensch von ungefähr siebenundzwanzig Jahren, ein wenig über Mittelgröße, mit dünnem, blondem, ziemlich langem Haar und spärlichem, kaum bemerkbarem Schnurr- und Kinnbart. Er war sauber und sogar nach der Mode, aber nicht stutzerhaft gekleidet; auf den ersten Blick schien er krumm und unbeholfen zu sein; er war aber ganz und gar nicht krumm und sogar recht gewandt. Er machte den Eindruck eines wunderlichen Gesellen, und doch fanden alle nachher seine Manieren sehr anständig, und was er redete, sehr passend und sachgemäß.
    Niemand kann sagen, daß der junge Mensch häßlich wäre; aber doch gefällt sein Gesicht niemandem. Sein Kopf ist hinten verlängert und wie von den Seiten zusammengedrückt, so daß sein Gesicht spitzig erscheint. Seine Stirn ist hoch und schmal, aber die Gesichtszüge fein, die Augen scharf, das Näschen klein und spitz, die Lippen lang und dünn. Sein Gesichtsausdruck hat etwas Krankhaftes; aber das scheint nur so. Eine magere Falte zieht sich über die Backen und neben den Backenknochen hin, was ihm das Aussehen eines Rekonvaleszenten nach einer schweren

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