Die Dämonen
gebracht wurde, war er schwächlich und blaß und in auffälliger Weise still und nachdenklich. (In der Folge zeichnete er sich durch außerordentliche Körperkraft aus.) Man muß auch annehmen, daß die beiden Freunde, wenn sie sich nachts umarmten, nicht immer nur über häusliche Vorkommnisse weinten. Stepan Trofimowitsch verstand es, in dem Herzen seines Freundes die verborgensten Saiten anzurühren und in ihm das erste, noch unbestimmte Gefühl jenes ewigen, heiligen Sehnens zu erwecken, welches manche auserwählte Seele, nachdem sie es einmal gekostet und kennen gelernt hat, nachher nie mehr mit einer billigen Zufriedenheit vertauschen möchte. (Es gibt auch solche Liebhaber dieses Sehnens, die dasselbe sogar höher schätzen als eine absolute Zufriedenheit, wenn eine solche selbst möglich wäre.) Aber jedenfalls war es gut, daß der Zögling und der Erzieher voneinander getrennt wurden, wenn es auch erst etwas spät geschah.
Vom Lyzeum aus kam der junge Mensch in den beiden ersten Jahren zu den Ferien nach Hause. In der Zeit, als Warwara Petrowna und Stepan Trofimowitsch sich in Petersburg aufhielten, war er manchmal bei den literarischen Abendgesellschaften anwesend, die bei seiner Mutter stattfanden, hörte zu und beobachtete. Er sprach wenig und war immer noch wie früher still und schüchtern. Gegen Stepan Trofimowitsch betrug er sich wie früher freundlich und respektvoll, aber doch etwas zurückhaltender: von hohen Gegenständen und von Erinnerungen an die Vergangenheit mit ihm zu reden vermied er offenbar. Nachdem er die Schule durchgemacht hatte, trat er dem Wunsche seiner Mutter gemäß beim Militär ein und wurde bald bei einem der vornehmsten Garde-Kavallerieregimenter eingestellt. Er kam nicht nach Hause, um sich seiner Mutter in Uniform zu zeigen, und seine Briefe aus Petersburg fingen an selten zu werden. Geld schickte ihm Warwara Petrowna freigebig, obwohl nach der Reform die Einkünfte von ihrem Gute so zurückgegangen waren, daß sie in der ersten Zeit nicht die Hälfte der früheren Einnahme bekam. Übrigens hatte sie durch lange Sparsamkeit ein nicht unbeträchtliches Kapital angesammelt. In hohem Grade interessierten sie die Erfolge ihres Sohnes in der höchsten Petersburger Gesellschaft. Was ihr selbst nicht gelungen war, das gelang nun dem jungen, reichen, hoffnungsvollen Offizier. Er erneuerte Bekanntschaften, auf deren Erneuerung sie für sich selbst gar nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, und wurde überall mit dem größten Vergnügen aufgenommen. Aber sehr bald begannen der Mutter recht seltsame Gerüchte zu Ohren zu kommen: es hieß, der junge Mensch treibe es auf einmal ganz sinnlos. Nicht, daß er angefangen hätte zu spielen oder übermäßig zu trinken; sondern man erzählte von einer wilden Zügellosigkeit, von Menschen, die er mit seinen Trabern überfahren habe, von seinem brutalen Benehmen gegen eine Dame der guten Gesellschaft, mit der er in Beziehungen gestanden und die er dann öffentlich beleidigt habe. Hierbei handelte es sich offenbar um eine recht schmutzige Geschichte. Man fügte noch hinzu, er sei ein Raufbold, suche Händel und beleidige andere Menschen aus reinem Vergnügen. Warwara Petrowna geriet darüber in große Aufregung und grämte sich. Stepan Trofimowitsch versicherte ihr, das seien nur die ersten ungestümen Ausbrüche einer sehr reich begabten Natur; die Wogen dieses Meeres würden sich schon legen; all das habe große Ähnlichkeit mit der von Shakespeare geschilderten Jugend des Prinzen Harry, der mit Falstaff, Poins und Mrs. Quickly Tollheiten treibe. Diesmal rief ihm Warwara Petrowna nicht zu: »Unsinn, Unsinn!« was sie sich in der letzten Zeit gewöhnt hatte ihm zuzurufen, sondern sie hörte im Gegenteil sehr aufmerksam zu, ließ sich das von der Jugend des Prinzen Harry noch eingehender auseinandersetzen, nahm selbst den Shakespeare zur Hand und las jenes unsterbliche Drama außerordentlich achtsam. Aber diese Lektüre diente nicht zu ihrer Beruhigung, auch fand sie die Ähnlichkeit nicht gerade groß. Mit fieberhafter Ungeduld erwartete sie die Antworten auf mehrere Briefe, die sie an Bekannte in Petersburg geschrieben hatte. Die Antworten blieben nicht lange aus; nach kurzer Zeit erhielt sie die verhängnisvolle Nachricht, daß Prinz Harry fast zu gleicher Zeit zwei Duelle gehabt habe und bei beiden der einzig Schuldige gewesen sei; einen seiner Gegner habe er auf dem Fleck getötet, den andern zum Krüppel gemacht; infolge dieser Handlungen
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