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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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... na, zwei Tage ... na, drei Tage; mehr als drei kann ich Ihnen nicht gewähren; aber dann, dann bitte ich um Ihre Antwort!«
     
Fußnoten
     
    1 Siehe die Anmerkung zu S. 36.
     
     
    Bei Tichon 1 .
     
I.
    Nikolai Wsewolodowitsch schlief in dieser Nacht nicht; während der ganzen Dauer derselben saß er auf dem Sofa und richtete oft einen starren Blick auf einen bestimmten Punkt in der Ecke bei der Kommode. Die ganze Nacht hindurch brannte bei ihm die Lampe. Gegen sieben Uhr morgens schlief er im Sitzen ein, und als Alexei Jegorowitsch nach dem ein für allemal eingeführten Brauche Punkt halb zehn mit der Tasse Morgenkaffee bei ihm eintrat und ihn durch sein Erscheinen weckte, schien er, als er die Augen öffnete, unangenehm davon überrascht zu sein, daß er so lange hatte schlafen können, und daß es schon so spät war. Schnell trank er seinen Kaffee, schnell zog er sich an und verließ eilig das Haus. Auf Alexei Jegorowitschs vorsichtige Frage, ob er keine Befehle für ihn habe, gab er keine Antwort. Auf der Straße ging er, zu Boden blickend, in tiefer Versunkenheit; nur ab und zu hob er für einen Augenblick den Kopf in die Höhe und zeigte dann plötzlich eine Art von unklarer, aber starker Unruhe. An einer Straßenkreuzung, noch nicht weit von seinem Hause, wurde ihm der Weg durch eine Schar von vorbeigehenden Bauern versperrt; es mochten etwa fünfzig oder mehr Menschen sein; sie gingen wohlanständig, fast schweigend, in absichtlich beobachteter guter Ordnung. Bei einem Laden, neben dem er einen Augenblick warten mußte, sagte jemand, das seien »Schpigulinsche Arbeiter«. Er beachtete sie kaum. Endlich, gegen halb elf, gelangte er zu dem Tore unseres Jefimjewski-Bogorodski-Klosters am Rande der Stadt, am Flusse. Erst da schien ihm etwas einzufallen, etwas Beunruhigendes, Unangenhmes; er blieb stehen, fühlte schnell nach etwas, was in seiner Seitentasche steckte, und – lächelte. Als er die Einfassungsmauer passiert hatte, fragte er den ersten Klosterdiener, der ihm begegnete, wie er zu dem hier im Ruhestande lebenden Bischof Tichon gelangen könne. Der Klosterdiener machte ihm viele Verbeugungen und übernahm es sofort, ihn hinzuführen. Bei einer kleinen Freitreppe am Ende des langen, zweistöckigen Klostergebäudes trat ihnen ein dicker, grauhaariger Mönch entgegen; dieser nahm den Besucher in gebieterischer und gewandter Manier dem Klosterdiener ab und führte ihn einen langen, schmalen Korridor entlang, ebenfalls unter steten Verbeugungen, obgleich er sich bei seiner Korpulenz nicht tief bücken konnte, sondern nur häufig und kurz mit dem Kopfe zuckte; während des Gehens lud er ihn fortwährend ein, gütigst weiter zu kommen, wiewohl Nikolai Wsewolodowitsch ihm auch ohnedies folgte. Der Mönch richtete einige Fragen an ihn und sprach von dem Vater Archimandriten; als er keine Antworten erhielt, wurde er immer noch respektvoller. Stawrogin merkte, daß man ihn hier kannte, obgleich er, soweit er sich erinnerte, nur in seiner Kindheit hier gewesen war. Als sie zu einer Tür ganz am Ende des Korridors gelangt waren, öffnete der Mönch sie, wie wenn er hier zu befehlen hätte, fragte den hinzuspringenden Novizen in familiärem Ton, ob der Eintritt gestattet sei, machte dann, ohne auch nur die Antwort abzuwarten, die Tür ganz auf und ließ unter Verbeugungen den »werten« Gast an sich vorbeipassieren; nachdem er dessen Dank empfangen hatte, verschwand er schnell, ordentlich laufartig. Nikolai Wsewolodowitsch betrat ein kleines Zimmer, und fast in demselben Augenblick erschien in der Tür des anstoßenden Zimmers ein hochgewachsener, hagerer Mann von ungefähr fünfundfünfzig Jahren in einer einfachen Haussoutane; er machte einen etwas kränklichen Eindruck; auf seinem Gesichte lag ein unbestimmtes Lächeln, und sein Blick hatte etwas Seltsames, wie Verlegenes. Das war eben jener Tichon, über welchen Nikolai Wsewolodowitsch zum ersten Male von Schatow etwas gehört und über den er seitdem auch selbst schon nebenbei nach Möglichkeit Nachrichten gesammelt hatte.
    Diese Nachrichten waren verschiedenartig und einander widersprechend; aber sie hatten auch etwas Gemeinsames, nämlich dies, daß diejenigen, die Tichon liebten, und diejenigen, die ihn nicht liebten (es gab aber auch solche), sich alle über ihn möglichst schweigsam verhielten; diejenigen, die ihn nicht liebten, wahrscheinlich aus Geringschätzung, seine Anhänger aber und sogar seine glühendsten Anhänger aus einer Art von

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