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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Wesen; dieses Wesen habe verschiedene Gestalten und verschiedene Charaktere, sei aber dennoch ein und dasselbe. »Ich ärgere mich immer darüber,« fügte er hinzu.
    »Diese Mitteilungen klangen wunderlich und verworren und schienen wirklich von einem Verrückten zu kommen. Aber dabei redete Nikolai Wsewolodowitsch mit einer so seltsamen, bei ihm unerhörten Offenheit und mit einer solchen ihm sonst ganz fremden Treuherzigkeit, daß es schien, als sei bei ihm plötzlich und unversehens der frühere Mensch vollständig verschwunden. Er schämte sich gar nicht, die Angst merken zu lassen, mit der er von seiner Vision sprach. Aber all dies dauerte nur einen Augenblick und verschwand ebenso schnell wieder, wie es gekommen war.«
    »Das ist lauter dummes Zeug,« sagte er, sich wieder auf sich selbst besinnend, schnell und mit verlegenem Ärger. »Ich werde zu einem Arzt gehen.«
    »Tun Sie das unbedingt,« stimmte ihm Tichon bei.
    »Sie reden mit solcher Sicherheit ... Haben Sie solche Menschen wie mich schon gesehen, Menschen mit solchen Visionen?«
    »Ja, aber nur sehr selten. Ich besinne mich nur auf einen einzigen ebensolchen Patienten in meinem Leben, einen Offizier, der seine Gattin, seine für ihn unersetzliche Lebensgefährtin, verloren hatte. Von einem andern habe ich nur gehört. Beide machten dann im Auslande eine Kur durch ... Leiden Sie schon lange daran?«
    »Ungefähr seit einem Jahre; aber das ist lauter dummes Zeug. Ich werde zu einem Arzt gehen. Und das ist lauter dummes Zeug, schrecklich dummes Zeug. Das bin ich selbst in verschiedenen Gestalten, und weiter nichts. Da ich soeben diese ... Phrase hinzugefügt habe, so glauben Sie gewiß, ich hätte doch noch immer meine Zweifel und sei nicht fest davon überzeugt, daß ich es bin und nicht in Wirklichkeit der Teufel.«
    Tichon sah ihn fragend an.
    »Und ... Sie sehen ihn wirklich?« fragte er; als wolle er jeden Verdacht, daß es doch wohl nur eine täuschende, krankhafte Halluzination sei, ausschließen; »sehen Sie tatsächlich eine Gestalt?«
    »Sonderbar, daß Sie danach so hartnäckig fragen, obwohl ich Ihnen doch schon gesagt habe, daß ich eine Gestalt sehe,« erwiderte Stawrogin, dessen gereizte Stimmung wieder mit jedem Worte ärger wurde. »Selbstverständlich sehe ich eine Gestalt; ich sehe sie so, wie ich Sie sehe ... manchmal sehe ich sie und bin nicht davon überzeugt, daß ich sie sehe, obwohl ich sie sehe ... manchmal aber weiß ich nicht, was Wahrheit ist, ich oder er ... das ist lauter dummes Zeug. Können Sie sich denn gar nicht zu der Annahme entschließen, daß das wirklich der Teufel ist?« fügte er auflachend hinzu, indem er in schroffster Art zu einem spöttischen Tone überging. »Das würde doch zu Ihrer Profession besonders gut passen.«
    »Die größere Wahrscheinlichkeit ist dafür, daß es eine Krankheit ist, obgleich ...«
    »Obgleich was?«
    »Teufel existieren zweifellos; aber die Vorstellungen von ihnen können sehr verschieden sein.«
    »Der Grund, weswegen Sie soeben wieder die Augen niedergeschlagen haben,« fiel Stawrogin in gereiztem, spöttischem Tone ein, »ist der: Sie schämen sich für mich, weil ich an den Teufel glaube, aber unter dem Scheine des Unglaubens Ihnen listig die Frage vorlege, ob er wirklich existiert oder nicht.«
    Tichon lächelte in unbestimmtem Sinne.
    »So mögen Sie denn wissen, daß ich mich ganz und gar nicht schäme, und um Sie zum Dank für Ihre Grobheit zu befriedigen, will ich Ihnen im Ernst und frech sagen: ich glaube an den Teufel, glaube an ihn in kanonischer Weise, an einen persönlichen Teufel, nicht an einen bloß bildlichen, und ich brauche niemanden erst darüber zu befragen. Nun wissen Sie alles.«
    Er schlug ein nervöses, unnatürliches Gelächter auf. Tichon blickte ihn neugierig an, aber mit einem etwas scheuen, wenn auch sanften Blicke.
    »Glauben Sie an Gott?« fragte Nikolai Wsewolodowitsch plötzlich.
    »Ja.«
    »Es steht ja geschrieben: wenn du glaubst und einem Berge befiehlst sich zu bewegen, so wird er sich bewegen ... nehmen Sie mir übrigens diesen Unsinn nicht übel. Aber ich möchte Sie doch gern fragen: werden Sie den Berg versetzen oder nicht?«
    »Wenn Gott es befiehlt, so werde ich ihn versetzen,« erwiderte Tichon leise und bescheiden und schlug wieder die Augen nieder.
    »Na, das wäre ja ganz dasselbe, wie wenn Gott selbst ihn versetzte. Nein, werden Sie, Sie selbst zur Belohnung Ihres Glaubens an Gott es fertigbringen?«
    »Vielleicht werde ich ihn

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