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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Manieren, wie sie bei Leuten des kleinbürgerlichen Standes Wohlgefallen erregen, so daß meine Wirtin sich mir gegenüber schon früher oft lobend über dieses Mädchen ausgesprochen hatte. Ich traf die beiden beim Kaffeetrinken und sah, daß meine Wirtin über die angenehme Unterhaltung, die sie gehabt hatte, sehr vergnügt war. In einer Ecke des Stübchens der Wirtsleute bemerkte ich Matroscha. Sie stand da, ohne sich zu rühren, und sah ihre Mutter und die Besucherin starr an. Bei meinem Eintritt versteckte sie sich nicht wie das vorige Mal und lief nicht weg. Es schien mir nur, daß sie sehr abgemagert sei, und daß sie Fieberhitze habe. Ich behandelte Nina freundlich und machte die Verbindungstür zu, was ich lange nicht getan hatte, so daß Nina beim Weggehen sehr erfreut war. Ich begleitete sie selbst hinaus und kehrte nun zwei Tage lang nicht mehr nach der Gorochowaja-Straße zurück. Ich war der Sache schon überdrüssig geworden. Ich beschloß, mit allem ein Ende zu machen, die Wohnung zu kündigen und von Petersburg wegzuziehen.
    Aber als ich hinkam, um die Wohnung zu kündigen, fand ich die Wirtin in großer Aufregung und Betrübnis: Matroscha war schon seit zwei Tagen krank; jede Nacht fieberte und phantasierte sie. Selbstverständlich fragte ich, wovon sie denn phantasiere (wir sprachen miteinander flüsternd in meinem Zimmer); die Wirtin flüsterte mir zu, sie phantasiere von »graulichen Dingen«; sie sage, sie habe »Gott getötet«. Ich bot ihr an, auf meine Kosten einen Arzt kommen zu lassen; aber das wollte sie nicht: »So Gott will, wird es auch so vorübergehen; sie liegt ja auch nicht immer zu Bett; bei Tage geht sie aus; sie ist eben erst nach dem Laden hinuntergelaufen.« Ich beschloß, es so einzurichten, daß ich Matroscha allein träfe, und da die Wirtin zufällig geäußert hatte, sie müsse um fünf Uhr nach der Peterburgskaja gehen, so nahm ich mir vor, am Abend wiederzukommen.
    Ich aß in einem Restaurant zu Mittag. Pünktlich um ein Viertel auf sechs kehrte ich zurück. Ich schloß die Wohnung immer mit einem eigenen Schlüssel auf. Es war niemand außer Matroscha da. Sie lag in dem Stübchen der Wirtsleute hinter einem Wandschirm auf dem Bette ihrer Mutter, und ich sah, wie sie von dort hervorblickte; aber ich tat, als ob ich es nicht merkte. Alle Fenster waren geöffnet. Die Luft war warm, sogar heiß. Ich ging in meinem Zimmer eine Weile auf und ab und setzte mich dann auf das Sofa. Ich erinnere mich an alles, was sich bis zum letzten Augenblicke zutrug. Es machte mir entschieden Vergnügen, kein Gespräch mit Matroscha anzufangen, sondern sie zu quälen, ich weiß nicht warum. Ich wartete eine ganze Stunde, und auf einmal sprang sie selbst hinter dem Wandschirm hervor. Ich hörte, wie ihre beiden Füße auf den Fußboden aufstießen, als sie aus dem Bette sprang; dann hörte ich ziemlich schnelle Schritte, und sie stand auf der Schwelle meines Zimmers. Sie stand da und sah mich schweigend an. Ich bekenne meine Gemeinheit: mein Herz zitterte vor Freude darüber, daß ich meine Rolle durchgeführt und gewartet hatte, bis sie selbst den ersten Schritt tun würde. In diesen Tagen, in denen ich sie seit jener Zeit kein einziges Mal aus der Nähe gesehen hatte, war sie tatsächlich furchtbar mager geworden. Ihr Gesicht sah wie vertrocknet aus, und der Kopf war ihr sicherlich glühend heiß.
    Die Augen waren groß geworden und blickten mich starr an, mit einer stumpfen Neugier, wie es mir anfangs vorkam. Ich saß da, sah sie an und rührte mich nicht. Und da empfand ich auf einmal wieder einen Haß gegen sie. Aber sehr bald merkte ich, daß sie sich gar nicht vor mir fürchtete, sondern vielleicht eher in einem Fieberwahn befangen war. Aber auch das letztere war nicht der Fall. Sie fing auf einmal an, mir wiederholt mit dem Kopfe zuzunicken, in der Weise, wie naive, manierlose Menschen zu nicken pflegen, wenn sie jemandem starke Vorwürfe machen; und auf einmal hob sie ihre kleine Faust gegen mich in die Höhe und begann von dem Platze aus, wo sie stand, mir zu drohen. Im ersten Augenblick kam mir diese Bewegung komisch vor; aber lange konnte ich es nicht ertragen. Auf ihrem Gesichte prägte sich eine solche Verzweiflung aus, wie man sie auf dem Gesichte eines Kindes nicht hätte für möglich halten sollen. Sie schwang immer noch drohend ihre kleine Faust gegen mich und nickte immer noch vorwurfsvoll. Ich stand auf, näherte mich ihr voller Angst und redete sie vorsichtig mit leiser,

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