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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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auf der Treppe. Drei Stunden darauf tranken wir alle in der Pension in Hemdsärmeln Tee und spielten mit alten Karten; Lebjadkin las seine Gedichte vor. Es wurde vieles erzählt, und es traf sich so, daß es lauter witzige, komische Sachen waren, nicht so dummes Zeug wie sonst immer. Auch Kirillow war damals zugegen. Alkoholisches trank niemand, obgleich eine Flasche Rum dastand; Lebjadkin war der einzige, der ihr seine Verehrung bezeigte.
    Prochor Malow machte die Bemerkung, wenn Nikolai Wsewolodowitsch zufrieden sei und sich nicht der Hypochondrie überlasse, so seien von unserer Gesellschaft auch alle übrigen vergnügt und sprächen verständig. Dieser Ausspruch prägte sich mir gleich damals ein; also muß ich doch vergnügt, zufrieden und nicht hypochondrisch gewesen sein. So sah es aus. Aber ich erinnere mich, daß ich mir sagte: meine Freude über meine Befreiung beweist, daß ich ein niedriger, gemeiner Feigling bin und nie mehr ein anständiger Mensch sein werde.
    Aber schon um elf Uhr kam das Töchterchen des Hausknechtes aus der Gorochowaja-Straße zu mir gelaufen und brachte mir von meiner Wirtin die Nachricht, daß Matroscha sich erhängt habe. Ich ging mit dem Kinde hin und sah, daß die Mutter selbst nicht wußte, warum sie zu mir geschickt hatte. Sie heulte und gebärdete sich wild; es war viel Volks da, auch Polizei. Ich blieb eine Weile und ging dann wieder weg.
    Man behelligte mich die ganze Zeit über so gut wie gar nicht; jedoch wurden mir die erforderlichen Fragen vorgelegt. Aber ich sagte nichts weiter aus, als daß das Mädchen krank gewesen sei und phantasiert habe, so daß ich meinerseits mich erboten hätte, auf meine Kosten einen Arzt kommen zu lassen. Auch wegen des Federmessers wurde ich befragt; ich sagte, die Wirtin habe ihre Tochter durchgehauen; aber dieser Vorfall habe keine weitere Bedeutung gehabt. Davon, daß ich am Abend hingekommen war, wußte niemand etwas.
    Ungefähr eine Woche lang ging ich nicht wieder dorthin. Erst als sie schon längst begraben war, tat ich es, um die Wohnung zu übergeben. Die Wirtin weinte immer noch, obgleich sie schon wieder wie früher mit ihrem Lappenkram und ihrer Näherei beschäftigt war. »Ich habe ihr wegen Ihres Federmessers gar zu weh getan,« sagte sie zu mir, aber ohne großen Vorwurf. Als Grund für mein Ausziehen gab ich an, ich könne jetzt unmöglich in einer solchen Wohnung bleiben, um darin Nina Saweljewna zu empfangen. Sie lobte diese noch einmal zum Abschiede. Beim Weggehen schenkte ich ihr fünf Rubel über die Summe hinaus, die ich ihr für die Wohnung schuldig war.
    Die Hauptsache war, daß mich das Leben dermaßen langweilte, daß ich beinah stumpfsinnig wurde. Den Vorfall in der Gorochowaja-Straße würde ich, nachdem die Gefahr vorbei war, wie alle meine damaligen Erlebnisse ganz vergessen haben, wenn ich mich nicht längere Zeit mit Ingrimm daran erinnert hätte, wie feige ich mich benommen hatte.
    Ich ließ meinen Ingrimm an jedem aus, bei dem es möglich war. In jener Zeit, aber keineswegs aus irgendwelchem konkreten Grunde, kam mir auch der Gedanke, mein Leben irgendwie zu verunstalten, aber nur auf eine möglichst widerwärtige Weise. Ich hatte schon ein Jahr vorher daran gedacht, mich zu erschießen; jetzt bot sich mir ein besseres Auskunftsmittel dar.
    Als ich einmal die lahme Marja Timofejewna Lebjadkina ansah, die bei uns in unseren Stuben zum Teil die Aufwartung besorgte und damals noch nicht verrückt, sondern nur eine verzückte Idiotin und im geheimen sinnlos in mich verliebt war (was unsere Leute herausgebracht hatten), da faßte ich auf einmal den Entschluß, sie zu heiraten. Die Idee einer Ehe Stawrogins mit einem so niedrigstehenden Wesen kitzelte meine Nerven. Etwas Garstigeres konnte man sich überhaupt nicht vorstellen. Aber jedenfalls ließ ich mich mit ihr nicht etwa nur »infolge einer nach Tische in trunkenem Zustande eingegangenen Wette« trauen. Als Trauzeugen fungierten Kirillow und Peter Werchowenski, der sich damals gerade in Petersburg befand, ferner Lebjadkin selbst und Prochor Malow, der jetzt schon tot ist. Weiter hat niemand jemals etwas davon erfahren; diese vier aber gaben mir das Wort zu schweigen. Dieses Schweigen ist mir immer als etwas Schmähliches erschienen; aber es ist bisher nicht gebrochen worden, obgleich ich die Absicht hatte, die Ehe bekanntzugeben; jetzt gebe ich sie mit dem übrigen zusammen bekannt.
    Nach der Trauung fuhr ich damals in die Provinz zu meiner Mutter. Ich tat

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