Die Dämonen
hervorgerufen wurde. Ganz ebenso hatte ich jedesmal, wenn ich an der Barriere stand und auf den Schuß des Gegners wartete, dieselbe schmähliche, wahnsinnige Empfindung, und in einem Falle war sie ganz besonders stark. Ich gestehe, daß ich diese Empfindung oft selbst suchte, weil sie für mich stärker war als alle andern in ihrem Genre. Wenn ich eine Ohrfeige bekam (und das ist mir zweimal in meinem Leben widerfahren), so hatte ich auch dann diese Empfindung, trotz des furchtbaren Zornes. Aber wenn ich dabei den Zorn unterdrückte, so überstieg der Genuß alles, was man sich nur vorstellen kann. Noch nie habe ich zu jemandem darüber gesprochen, auch nicht andeutungsweise, sondern es immer wie etwas Schmähliches, Schändliches geheimgehalten. Aber als ich einmal in einer Petersburger Schenke furchtbar geprügelt und an den Haaren gerissen wurde, da hatte ich diese Empfindung nicht, sondern es packte mich nur, da ich nicht betrunken war, ein gewaltiger Zorn, und ich prügelte mich mit meinen Widersachern herum. Wenn aber im Auslande jener französische Vicomte, der mich auf die Backe schlug, und dem ich dafür den Unterkiefer zerschoß, mich in die Haare gefaßt und niedergedrückt hätte, so würde ich eine Berauschtheit und vielleicht gar keinen Zorn empfunden haben. So schien es mir damals.
Das alles setze ich deshalb auseinander, damit ein jeder wisse, daß dieses Gefühl mich nie vollständig unterjochte, sondern ich immer bei vollstem Bewußtsein blieb (und auf dem Bewußtsein beruhte ja auch alles). Und obgleich dieses Gefühl sich meiner bis zur Unvernunft bemächtigte oder sozusagen bis zum Starrsinn, so doch nie bis zur Selbstvergessenheit. Auch wenn es bei mir vollständig Feuer und Flamme geworden war, war ich dennoch gleichzeitig imstande, es ganz und gar zu bezwingen, ja es auf seinem Gipfelpunkte anzuhalten, nur daß ich es eben niemals anhalten wollte. Ich bin überzeugt, daß ich mein ganzes Leben wie ein Mönch verbringen könnte, trotz der bestialischen Sinnlichkeit, mit der ich begabt bin, und die ich immer selbst aufgereizt habe. Ich bin immer Herr meiner selbst, sobald ich es nur will. So möge man denn wissen, daß ich weder durch Berufung auf das Milieu noch durch Vorschützung von Krankheiten mich von der Verantwortung für mein Verbrechen frei zu machen suche.
Die Züchtigung war zu Ende; ich steckte das Federmesser in die Westentasche, verließ das Haus, ohne ein Wort zu sagen, und warf es, als ich mich sehr weit entfernt hatte, auf die Straße, damit nie jemand etwas davon erführe. Dann wartete ich zwei Tage. Das Mädchen war, nachdem es eine Weile geweint hatte, noch schweigsamer geworden; gegen mich aber hegte sie (davon bin ich überzeugt) kein Gefühl des Grolles. Übrigens schämte sie sich gewiß etwas darüber, daß sie in dieser Weise vor meinen Augen bestraft worden war. Aber auch was dieses Schamgefühl anlangt, maß sie in Kinderart gewiß nur sich allein die Schuld daran bei.
Damals nun, in diesen zwei Tagen, legte ich mir auch einmal die Frage vor, ob ich wohl imstande sei, eine gefaßte Absicht aufzugeben und von ihr wieder abzugehen, und ich fühlte sofort, daß ich das könne, daß ich es jederzeit und auch in diesem Augenblicke könne. Um jene Zeit wollte ich mir das Leben nehmen, weil mir alles in krankhafter Weise gleichgültig war; übrigens weiß ich eigentlich nicht warum. In denselben zwei oder drei Tagen (denn ich mußte unbedingt warten, bis das Mädchen alles vergessen haben würde) beging ich in meiner Pension einen Diebstahl, wahrscheinlich, um mich von den steten Grübeleien abzulenken, oder auch nur zum Spaß. Es war der einzige Diebstahl in meinem Leben.
In dieser Pension nisteten viele Menschen. Unter anderen wohnte dort auch in zwei möblierten Zimmerchen ein Beamter mit seiner Familie; er war etwa vierzig Jahre alt, kein dummer Mensch, hatte ein anständiges Aussehen, war aber arm. Ich war ihm nicht nähergetreten, und vor der Gesellschaft, die mich dort umgab, hatte er Furcht. Er hatte soeben erst sein Gehalt bekommen, im Betrage von fünfunddreißig Rubeln. Mein Hauptbeweggrund war, daß ich tatsächlich in jenem Augenblicke Geld brauchte (allerdings erhielt ich vier Tage darauf welches mit der Post), so daß ich gewissermaßen aus Not und nicht bloß so zum Scherz stahl. Ich ging dabei frech und offen zu Werke: ich trat einfach in seine Wohnung, während seine Frau, seine Kinder und er selbst in dem zweiten Stübchen beim Mittagessen
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