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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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freundlicher Stimme an; aber ich merkte, daß sie mich nicht verstand. Dann bedeckte sie plötzlich hastig ihr Gesicht mit beiden Händen, gerade wie damals, ging von mir weg und stellte sich, mir den Rücken zuwendend, ans Fenster. Ich verstehe schlechterdings nicht, warum ich damals nicht wegging, sondern dablieb, als ob ich auf etwas wartete. Bald darauf hörte ich wieder ihre eiligen Schritte; sie trat durch die Tür auf eine hölzerne Galerie hinaus, von der man auch auf einer Treppe nach unten gelangen konnte; ich lief sogleich zu meiner Tür, öffnete sie ein wenig und sah noch, wie Matroscha in eine winzige, einem Hühnerstalle ähnliche Rumpelkammer ging, die neben einem gewissen anderen Orte gelegen war. Ein sehr interessanter Gedanke blitzte in meinem Kopfe auf. Ich begreife bis auf den heutigen Tag nicht, warum er das erste war, das mir plötzlich in den Sinn kam: »Also darauf«, sagte ich mir, »ist die Sache hinausgelaufen.« Ich machte die Tür zu und setzte mich wieder ans Fenster. Natürlich konnte ich dem Gedanken, der mir durch den Kopf gegangen war, noch nicht völlig Glauben schenken; »aber doch ...« (Ich erinnere mich an alles; das Herz klopfte mir heftig.)
    Nach einer Minute sah ich auf meine Uhr und stellte möglichst genau die Zeit fest. Wozu ich diese Genauigkeit der Zeitbestimmung nötig hatte, weiß ich nicht; aber ich war imstande dies zu tun und wollte überhaupt in jenem Augenblicke alles wahrnehmen und mir merken. So erinnere ich mich denn jetzt an alles Wahrgenommene und sehe es vor mir, als ob es sich eben zutrüge. Der Abend rückte heran. Über mir summte eine Fliege und setzte sich mir immer auf das Gesicht. Ich fing sie, hielt sie eine Weile in den Fingern und ließ sie dann aus dem Fenster. Mit großem Gepolter kam unten ein Bauernwagen auf den Hof gefahren. Sehr laut (und zwar schon seit längerer Zeit) sang ein Handwerker, ein Schneider, in einer Ecke des Hofes am Fenster ein Lied. Er saß bei seiner Arbeit, und ich konnte ihn sehen. Es kam mir der Gedanke: da mir niemand begegnet sei, als ich ins Tor hereinkam und die Treppe heraufstieg, so sei es natürlich sehr möglich, daß mir auch jetzt niemand begegne, wenn ich nach unten hinabstiege, und ich rückte vorsichtig meinen Stuhl vom Fenster weg, damit mich die Hausbewohner nicht sähen. Ich nahm ein Buch in die Hand, warf es aber gleich wieder hin und begann eine winzig kleine rote Spinne auf einem Geraniumblatte zu betrachten. Ich wußte kaum von mir selbst. Ich erinnere mich an alles, was bis zum letzten Augenblick geschah.
    Ich zog wieder die Uhr heraus. Es waren zwanzig Minuten vergangen, seit sie hinausgegangen war. Meine Vermutung nahm die Gestalt der Wahrscheinlichkeit an. Aber ich beschloß, noch genau eine Viertelstunde zu warten. Es kam mir auch der Gedanke in den Kopf, ob sie nicht vielleicht zurückgekommen sei und ich es überhört hätte; aber das war ein Ding der Unmöglichkeit; es herrschte Totenstille, und ich konnte das Summen jeder Fliege hören. Auf einmal fing mir wieder das Herz heftig an zu klopfen. Ich zog die Uhr heraus: es fehlten noch drei Minuten; ich saß sie noch ab, obgleich mein Herz so klopfte, daß es mir weh tat. Dann stand ich auf, setzte den Hut auf den Kopf, knöpfte den Paletot zu und sah mich im Zimmer um, ob auch keine Spuren meiner Anwesenheit zurückgeblieben seien. Den Stuhl rückte ich näher ans Fenster heran, so wie er vorher gestanden hatte. Endlich öffnete ich leise die Tür, schloß sie mit meinem Schlüssel zu und ging zu der Rumpelkammer. Die Tür derselben war herangezogen, aber nicht verschlossen; ich wußte, daß sie sich überhaupt nicht verschließen ließ; aber ich wollte sie nicht öffnen, sondern hob mich auf die Zehen und sah durch die obere Ritze. In diesem selben Augenblicke, als ich mich auf die Zehen hob, fiel mir ein, daß damals, als ich am Fenster saß und die rote Spinne betrachtete und kaum von mir selbst wußte, mir der Gedanke gekommen war, wie ich mich auf die Zehen heben und mit dem Auge bis an diese Ritze heranreichen würde. Indem ich diese Einzelheit hierher setze, will ich unbedingt beweisen, bis zu welchem Grade der Klarheit ich meiner geistigen Fähigkeiten mächtig war, und daß ich für alles die Verantwortung trage. Ich blickte lange durch die Ritze, weil es dort dunkel war; indes war es doch nicht ganz dunkel, so daß ich schließlich sah, was ich hatte sehen wollen ...
    Endlich entschloß ich mich zum Weggehen. Ich begegnete niemandem

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