Die Dämonen
teilgenommen und auf diese Art, wiewohl nur beiläufig, endlich auch Warwara Petrowna einen Besuch abgestattet hatte, worüber diese schwach genug war in das größte Entzücken zu geraten). Schon von der Tür aus (er trat etwas später ein als die andern) schrie er, als er Stepan Trofimowitsch erblickte, auf und lief mit offenen Armen auf ihn zu, wobei er sogar Julija Michailowna unterbrach.
»Wie viele Sommer und Winter sind vergangen, seit wir uns zum letzten Male gesehen haben! Endlich! ...
Excellent ami!
«
Er machte Miene, als ob er sich mit ihm küssen wolle, und hielt ihm natürlich nur seine Backe hin. Stepan Trofimowitsch, der sich nicht sogleich zu fassen wußte, sah sich genötigt, diese zu küssen.
»Cher,«
sagte er zu mir am Abend, als er sich die Erlebnisse dieses Tages ins Gedächtnis zurückrief, »ich überlegte in diesem Augenblicke: wer von uns beiden ist gemeiner? Er, der mich umarmte, um mich herabzuwürdigen, oder ich, der ich ihn und seine Backe verachtete und sie trotzdem küßte, obwohl ich mich doch hätte abwenden können ... Pfui!«
»Nun, dann erzählen Sie, erzählen Sie!« sagte Karmasinow mit Kaubewegungen und lispelnd, als ob der andere ihm so ohne weiteres sein ganzes Leben während dieser fünfundzwanzig Jahre hätte erzählen können.
Aber diese dumme Oberflächlichkeit gehörte zum feinsten Ton.
»Erinnern Sie sich, daß wir uns zum letztenmal in Moskau sahen, bei dem Diner zu Ehren Granowskis, und daß seitdem vierundzwanzig Jahre vergangen sind ...« begann Stepan Trofimowitsch sehr vernünftig und daher sehr wenig dem feinsten Tone entsprechend.
»Ce cher homme,«
unterbrach ihn Karmasinow familiär mit seiner kreischenden Stimme und drückte ihm mit der Hand allzu freundschaftlich die Schulter zusammen. »Führen Sie uns nur recht schnell in Ihren Salon, Julija Michailowna; er wird sich da hinsetzen und alles erzählen.«
»Und dabei habe ich diesem nervösen alten Weibe niemals nahe gestanden,« fuhr an demselben Abend Stepan Trofimowitsch, zitternd vor Ingrimm, fort, sich mir gegenüber zu beklagen. »Wir waren fast noch Jünglinge, und ich begann schon damals ihn zu hassen ... gerade so wie er mich, selbstverständlich ...«
Julija Michailownas Salon füllte sich schnell. Warwara Petrowna befand sich in einem Zustande besonderer Aufregung, obwohl sie sich bemühte gleichmütig zu erscheinen; aber ich beobachtete zwei- bis dreimal, daß sie haßerfüllte Blicke auf Karmasinow und zornige Blicke auf Stepan Trofimowitsch richtete. Die zornigen Blicke waren eine Art Vorausbezahlung und gingen aus Eifersucht und Liebe hervor: hätte Stepan Trofimowitsch diesmal irgendeine Ungeschicklichkeit begangen und dadurch dem andern die Möglichkeit gegeben, ihn in Gegenwart aller zu blamieren, so wäre sie, glaube ich, sogleich aufgesprungen und hätte ihn geprügelt. Ich habe vergessen zu sagen, daß auch Lisa anwesend war, und noch nie hatte ich sie sorgloser, heiterer und glücklicher gesehen. Selbstverständlich war auch Mawriki Nikolajewitsch da. Unter dem Schwarm der jungen Damen und der halbverlotterten jungen Männer, die Julija Michailownas gewöhnliche Suite bildeten, und bei denen man dieses verlotterte Wesen als Fröhlichkeit gelten ließ und wohlfeilen Zynismus als Verstand, unter diesen bemerkte ich zwei bis drei neue Persönlichkeiten: einen erst kürzlich zugereisten scherwenzelnden Polen, ferner einen deutschen Doktor, einen gesunden, alten Mann, der laut und mit großem Genusse alle Augenblicke über seine eigenen Witze lachte, und endlich einen sehr jungen Fürsten aus Petersburg von automatenhafter Haltung, mit dem würdigen Anstande eines Staatsmannes und schrecklich langen Vatermördern. Aber es war deutlich, daß Julija Michailowna diesen Gast besonders hochschätzte und sich sogar beunruhigte, die Mitglieder ihres Salons könnten sich vor ihm zu sehr gehen lassen.
»Cher monsieur Karmazinoff,«
begann Stepan Trofimowitsch, indem er sich malerisch auf dem Sofa zurechtsetzte und auf einmal nicht weniger als Karmasinow zu lispeln anfing, »
cher monsieur Karmazinoff,
das Leben eines Menschen, der noch aus unserer alten Zeit stammt und gewisse Anschauungen hat, muß selbst in einem Zeitraume von fünfundzwanzig Jahren einförmig erscheinen ...«
Der Deutsche lachte laut und stoßweise, ordentlich wiehernd, offenbar in der Annahme, daß Stepan Trofimowitsch etwas sehr Lächerliches gesagt habe. Dieser blickte ihn mit besonders herausgekehrter Verwunderung
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