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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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ersten besten, auf den ich stieß, zu befragen, und auf einmal sah ich, daß Stepan Trofimowitsch nicht mehr neben mir war. Instinktmäßig beeilte ich mich sogleich, ihn an der gefährlichsten Stelle zu suchen; ich hatte eine Art von Ahnung, daß sein Schlitten den Berg hinuntersauste; und wirklich fand ich ihn bereits gerade im Mittelpunkte der Ereignisse. Ich erinnere mich, daß ich ihn bei der Hand ergriff; aber still und stolz blickte er mich mit einer Miene maßloser Überlegenheit an.
    »Cher,«
sagte er mit einer Stimme, in der man eine gewisse Saite zittern hörte, »wenn alle hier auf dem Platze in unserer Gegenwart so rücksichtslos verfahren, was kann man dann von diesem Menschen erwarten ... falls er in die Lage kommt, selbständig zu handeln?«
    Und zitternd vor Empörung und in dem maßlosen Wunsche Opposition zu machen, wies er im Sinne einer Drohung und Anklage mit dem Finger auf Flibustjerow, der zwei Schritte von uns stand und uns mit weitaufgerissenen Augen anglotzte.
    »Von diesem Menschen!« schrie jener, vor Wut seiner nicht mächtig. »Was soll das heißen: ›von diesem Menschen‹? Wer bist du denn?« fuhr er fort und trat mit geballter Faust näher. »Wer bist du?« brüllte er wie ein Rasender (ich bemerke, daß er Stepan Trofimowitsch von Ansehen sehr gut kannte).
    Noch einen Augenblick, und er hätte ihn sicherlich am Kragen gepackt; aber zum Glück wandte Lembke auf das Geschrei den Kopf um. Verwundert, aber aufmerksam blickte er Stepan Trofimowitsch an, wie wenn er sich etwas im Kopfe zurechtlegte; dann winkte er plötzlich ungeduldig mit der Hand ab. Flibustjerow verstummte. Ich zog Stepan Trofimowitsch aus der Menge heraus. Übrigens hatte er vielleicht selbst schon den Wunsch sich zu entfernen.
    »Kommen Sie nach Hause, nach Hause!« drang ich in ihn. »Wenn Sie nicht geschlagen worden sind, so haben Sie das entschieden nur Lembke zu verdanken.«
    »Gehen Sie, mein Freund! Ich tue unrecht daran, Sie in Gefahr zu bringen. Sie haben eine Zukunft und eine Laufbahn vor sich, während ich ...
mon heure a sonné.
«
    Festen Schrittes stieg er die Stufen zur Tür des Gouvernementsgebäudes hinan. Der Portier kannte mich; ich sagte ihm, daß wir beide zu Julija Michailowna wollten. Im Wartezimmer setzten wir uns hin und warteten. Ich wollte meinen Freund nicht verlassen, hielt es aber für überflüssig, noch etwas zu ihm zu sagen. Er hatte die Miene eines Mannes, der sich in Treue dem Tode für das Vaterland weiht. Wir saßen nicht zusammen, sondern in verschiedenen Ecken, ich näher an der Eingangstür, er von ihr entfernt, gegenüber; den Kopf hielt er nachdenklich gesenkt und stützte sich mit beiden Händen leicht auf seinen Stock; seinen breitkrämpigen Hut hielt er in der linken Hand. So saßen wir etwa zehn Minuten lang.
     
II.
     
    Lembke trat in Begleitung des Polizeimeisters plötzlich mit schnellen Schritten ein, blickte uns zerstreut an und wollte, ohne uns zu beachten, nach rechts in sein Arbeitszimmer gehen; aber Stepan Trofimowitsch trat vor ihn hin und versperrte ihm den Weg. Seine hohe Gestalt und seine ungewöhnliche Erscheinung machten Eindruck; Lembke blieb stehen.
    »Wer ist das?« murmelte er überrascht, wie wenn er den Polizeimeister fragte; aber er drehte den Kopf gar nicht zu ihm hin und fuhr fort, Stepan Trofimowitsch zu betrachten.
    »Der Kollegienassessor a.D. Stepan Trofimowitsch Werchowenski, Exzellenz,« antwortete Stepan Trofimowitsch, indem er mit würdigem Anstande den Kopf beugte.
    Seine Exzellenz sah ihn immer noch an, indes mit ganz stumpfem Blicke.
    »In was für einer Angelegenheit?« fragte er in der lakonischen Art eines hohen Beamten mißmutig und ungeduldig und wandte Stepan Trofimowitsch sein Ohr zu; er mochte ihn für einen gewöhnlichen Bittsteller halten, der eine schriftliche Eingabe mitgebracht hatte.
    »Ich bin heute von einem Beamten, der in Euer Exzellenz Namen handelte, einer Haussuchung unterworfen worden; ich würde daher wünschen ...«
    »Wie war der Name? Wie war der Name?« fragte Lembke ungeduldig, wie wenn ihm etwas einfiele.
    Stepan Trofimowitsch wiederholte seinen Namen mit noch größerer Würde.
    »A-a-ah! Das ... das ist jene Pflanzstätte ... Mein Herr, Sie haben sich von einer Seite gezeigt ... Sie sind Professor? Professor?«
    »Ich habe einmal die Ehre gehabt, der Jugend an der ***er Universität einige Kollegien zu halten.«
    »Der Ju-gend!« wiederholte Lembke. Er war ordentlich zusammengezuckt, obgleich ich darauf

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