Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
hier abzulösen. Ich habe es von vielen gehört.«
    »Ich habe es auch gehört,« bemerkte ich bestätigend.
    »Wer hat das gesagt?« rief Julija Michailowna, die dunkelrot geworden war.
    »Sie meinen, wer es zuerst gesagt hat? Woher soll ich das wissen? Es wird nun eben so geredet. Die ganze Einwohnerschaft redet es. Namentlich gestern wurde es gesagt. Alle waren dabei ganz ernst, obgleich man daraus nicht recht klug werden kann. Freilich, die Verständigeren, Sachkundigeren reden dabei nicht mit; aber auch von denen hören manche zu.«
    »Was für eine Gemeinheit! Und – was für eine Dummheit!«
    »Na, eben deswegen müssen Sie auf dem Balle erscheinen, um es diesen Dummköpfen zu zeigen.«
    »Ich muß gestehen, ich habe selbst die Empfindung, daß ich dazu sogar verpflichtet bin; aber ... wie, wenn ein anderer Schimpf meiner wartet? Wie nun, wenn die Leute nicht kommen? Und es wird ja niemand kommen, niemand, niemand!«
    »Unnötige Sorge! Die werden nicht kommen? Und die Kleider, die sie sich haben machen lassen, und die Toiletten der jungen Mädchen? Wenn Sie so reden, kann ich Sie gar nicht mehr für eine Frau halten. Ist das eine Menschenkenntnis!«
    »Die Frau Adelsmarschall wird nicht da sein; sie wird bestimmt nicht da sein!«
    »Aber was ist denn im Grunde passiert, weswegen man wegbleiben sollte?« rief er endlich ärgerlich und ungeduldig.
    »Eine Blamage, eine Schande, – das ist passiert! Was eigentlich passiert ist, weiß ich nicht genau; aber jedenfalls war es etwas Derartiges, daß ich nun unmöglich hingehen kann.«
    »Warum nicht? Was können Sie denn schließlich dafür? Warum nehmen Sie die Schuld auf sich? Ist nicht weit eher das Publikum schuld, die alten Herren, die Familienväter? Die mußten die Taugenichtse und Herumtreiber im Zaume halten; denn um Taugenichtse und Herumtreiber handelt es sich dabei einzig und allein, nicht um irgendwelche ernst zu nehmenden Elemente. In keiner Gesellschaft und nirgends läßt sich lediglich durch die Polizei zurechtkommen. Aber bei uns verlangt jeder, wenn er hereinkommt, daß hinter ihm ein besonderer Polizist aufgestellt wird, um ihn zu behüten. Die Leute begreifen nicht, daß die Gesellschaft sich selbst beschützen muß. Aber was tun bei uns die Familienväter, die Würdenträger, die Frauen und Mädchen in solchen Fällen? Sie schweigen und fühlen sich gekränkt. Nicht einmal dazu reicht die Willenskraft der Gesellschaft aus, solche Schlingel im Zaum zu halten.«
    »Ach wie wahr, wie wahr! Sie schweigen, fühlen sich gekränkt und sehen sich um.«
    »Wenn das aber wahr ist, dann müssen Sie es auch dort aussprechen, laut, stolz und streng. Sie müssen gerade zeigen, daß Sie nicht geschlagen sind. Gerade diesen alten Herren und den Müttern. Oh, Sie verstehen sich darauf, Sie haben Talent dazu, wenn Ihr Kopf klar ist. Sie werden alle um sich herumgruppieren und dann laut, ganz laut reden. Und dann schicken wir eine Korrespondenz an den Golos und die Börsennachrichten. 1 Warten Sie, ich werde mich selbst an die Arbeit machen und Ihnen alles arrangieren. Natürlich wird erhöhte Aufmerksamkeit vonnöten sein; wir werden das Büfett beobachten müssen; wir müssen den Fürsten bitten und diesen Herrn hier ... Sie dürfen uns nicht im Stich lassen,
monsieur,
jetzt, wo alles eigentlich von neuem beginnen soll. Na, und zuletzt erscheinen Sie an Andrei Antonowitschs Arm. Wie steht es mit Andrei Antonowitschs Befinden?«
    »O wie ungerecht, wie falsch, wie beleidigend haben Sie immer über diesen engelhaften Menschen geurteilt!« rief Julija Michailowna plötzlich in einem unerwarteten Ausbruch ihrer Empfindungen; sie brach beinahe in Tränen aus und führte das Taschentuch an die Augen.
    Peter Stepanowitsch konnte im ersten Augenblick nur stottern:
    »Ich bitte Sie, ich ...aber wieso denn ... ich habe immer ...«
    »Nein, niemals, niemals! Sie haben ihm niemals Gerechtigkeit widerfahren lassen!«
    »Aus einer Frau kann man doch nie klug werden!« brummte Peter Stepanowitsch mit einem schiefen Lächeln.
    »Er ist der redlichste, zartfühlendste, engelhafteste Mensch! Der beste Mensch!«
    »Aber ich bitte Sie, was seine Herzensgüte anlangt ... ich habe seine Herzensgüte immer anerkannt ...«
    »Niemals! Aber lassen wir das! Ich habe ihn früher immer nur in sehr ungeschickter Weise in Schutz genommen. Vorhin hat diese Jesuitin, die Frau Adelsmarschall, ebenfalls ein paar spöttische Bemerkungen über die Geschichte von gestern fallen lassen.«
    »Oh,

Weitere Kostenlose Bücher