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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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jetzt wird sie keine Lust mehr haben, Bemerkungen über gestrige Geschehnisse zu machen; sie hat heute ihr eigenes Erlebnis. Und warum beunruhigen Sie sich so darüber, daß sie nicht auf den Ball kommen wird? Kommen wird sie allerdings nicht, nachdem sie in eine solche Skandalgeschichte hineingeraten ist. Vielleicht trägt sie dabei keine Schuld; aber für ihren Ruf ist es doch sehr nachteilig; sie hat eben schmutzige Hände bekommen.«
    »Was bedeutet das? Ich verstehe das nicht. Wieso hat sie schmutzige Hände bekommen?« fragte Julija Michailowna, ihn erstaunt anblickend.
    »Das heißt, ich behaupte es nicht; aber in der Stadt sagt man allgemein, sie habe die beiden zusammengebracht.«
    »Was bedeutet das? Wen zusammengebracht?«
    »Aber wissen Sie denn etwa noch nichts davon?« rief er mit vorzüglich fingiertem Erstaunen. »Nun, Stawrogin und Lisaweta Nikolajewna!«
    »Wie? Was?« riefen wir beide.
    »Aber wissen Sie es wirklich nicht? Hui! Da hat sich ein tragischer Roman abgespielt: Lisaweta Nikolajewna ist aus dem Wagen der Frau Adelsmarschall direkt in Stawrogins Kutsche umgestiegen und mit diesem Letzteren nach Skworeschniki gefahren, am hellen Tage. Erst vor einer Stunde; es ist noch nicht einmal eine Stunde her.«
    Wir waren starr. Selbstverständlich bestürmten wir ihn mit weiteren Fragen; aber obgleich er selbst »zufällig« Zeuge des Vorganges gewesen war, konnte er doch zu unserer Verwunderung nichts Genaueres darüber erzählen. Die Sache hatte sich angeblich folgendermaßen zugetragen: als die Frau Adelsmarschall nach der Vorlesung Lisa und Mawriki Nikolajewitsch in ihrem Wagen zu dem Hause von Lisas noch immer fußkranker Mutter gebracht hatte, da hatte nicht weit von der Haustür, etwa fünfundzwanzig Schritte entfernt, seitwärts ein anderer Wagen gewartet. Sobald Lisa an der Haustür hinausgesprungen war, war sie geradeswegs zu diesem Wagen hingelaufen; der Schlag war geöffnet und dann wieder zugeschlagen worden; Lisa hatte Mawriki Nikolajewitsch zugerufen: »Kümmern Sie sich nicht um mich!« und der Wagen war im schnellsten Tempo nach Skworeschniki gefahren. Auf unsere hastigen Fragen, ob eine Verabredung vorgelegen habe, und wer in dem Wagen gesessen habe, antwortete Peter Stepanowitsch, er wisse das nicht; eine Verabredung habe gewiß vorgelegen; aber Stawrogin selbst habe er im Wagen nicht bemerkt; vielleicht habe dessen Kammerdiener, der alte Alexei Jegorowitsch, darin gesessen. Auf die Fragen: »Wie kam es denn, daß Sie gerade dabei waren? Und woher wissen Sie denn so bestimmt, daß sie nach Skworeschniki gefahren ist?« antwortete er, er sei dort zufällig vorbeigekommen und, als er Lisa erblickt habe, sogar an den Wagen herangelaufen (und doch hatte er nicht bemerkt, wer in dem Wagen saß, er bei seiner Neugier!); aber Mawriki Nikolajewitsch habe nicht nur keine Verfolgung unternommen, sondern nicht einmal versucht, Lisa zurückzuhalten; ja er habe sogar der Frau Adelsmarschall, die aus voller Kehle geschrien habe: »Sie will zu Stawrogin, sie will zu Stawrogin!« mit der Hand den Mund zugehalten. Hier verlor ich plötzlich die Geduld und schrie Peter Stepanowitsch wütend an:
    »Das haben Sie Taugenichts alles angestiftet! Darauf haben Sie den Vormittag verwendet! Sie haben Stawrogin geholfen; Sie sind in dem Wagen hingefahren; Sie haben sie einsteigen lassen, Sie Sie, Sie! Julija Michailowna, dieser Mensch ist Ihr Feind; er wird auch Sie zugrunde richten! Nehmen Sie sich vor ihm in acht!«
    Und ich lief Hals über Kopf aus dem Hause.
    Ich verstehe bis jetzt noch nicht und wundere mich selber darüber, wie ich ihm dies damals habe zuschreien können. Aber ich hatte ganz richtig geraten: alles war fast genau so zugegangen, wie ich es zu ihm gesagt hatte; das hat sich in der Folge herausgestellt. Sehr auffällig war vor allen Dingen die offenbar gekünstelte Manier, in der er uns die Nachricht mitteilte. Er erzählte sie uns nicht sofort, nachdem er ins Haus gekommen war, als erste, außerordentliche Neuigkeit, sondern tat, als glaube er, daß wir es schon ohne ihn wüßten, was doch in so kurzer Zeit unmöglich war. Und wenn wir es gewußt hätten, so hätten wir nicht davon schweigen können, bis er darüber zu reden anfing. Auch hatte er nicht hören können, was in der Stadt bereits über die Frau Adelsmarschall »allgemein gesagt« wurde, wiederum wegen der Kürze der Zeit. Außerdem lächelte er beim Erzählen ein paarmal in einer gemeinen, leichtfertigen Art, wahrscheinlich

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