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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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war, und auf welche Weise er seine sinnlose Idee, zu fliehen, hatte zur Ausführung bringen können, davon weiter unten. Ich erwähne nur, daß er an diesem Morgen bereits fieberte; aber auch die Krankheit konnte ihn nicht zurückhalten: festen Schrittes ging er über den feuchten Erdboden dahin; ersichtlich war er da auf ein Unternehmen verfallen, wie nur er es hatte aussinnen können, der der Welt ganz unkundig war und nur in seinem Arbeitszimmer Bescheid wußte. Sein Anzug war »wandermäßig«; das heißt, er trug einen Mantel mit Ärmeln, um den Leib einen breiten, lackierten Ledergurt mit einer Schnalle, dazu hohe, neue Stiefel; die Beinkleider hatte er in die Stiefelschäfte gesteckt. Wahrscheinlich hatte er sich schon vor geraumer Zeit eine solche Vorstellung von einem Wanderer zurechtgemacht; den Gurt aber und die hohen Stiefel mit den glänzenden Husarenschäften, in denen er nicht zu gehen verstand, hatte er sich erst vor einigen Tagen beschafft. Ein breitkrempiger Hut, ein wollener, fest um den Hals gewickelter Schal, ein Stock in der rechten Hand und in der linken eine sehr kleine, aber außerordentlich vollgestopfte Reisetasche vervollständigten sein Kostüm. Überdies trug er in der rechten Hand außer dem Stocke auch noch einen aufgespannten Regenschirm. Diese drei Gegenstände, der Regenschirm, der Stock und die Reisetasche, waren bei der ersten Werst recht unbequem zu tragen gewesen, und bei der zweiten machte sich auch das Gewicht der Reisetasche stark fühlbar.
    »Sind Sie es wirklich?« rief Lisa und betrachtete ihn mit einem traurigen Erstaunen, das an die Stelle ihres ersten unwillkürlichen Freudenausbruchs getreten war.
    »Lise,«
rief nun auch Stepan Trofimowitsch und stürzte, ebenfalls beinah wie irrsinnig, auf sie zu.
»Chère, chère,
wandern auch Sie herum ... bei solchem Nebel? Sehen Sie dort die Röte vom Brande!
Vous êtes malheureuse, n'est-ce pas?
Ich sehe es, ich sehe es; Sie brauchen mir nichts zu erzählen; aber befragen Sie auch mich nicht!
Nous sommes tous malheureux; mais il faut les pardonner tous. Pardonnons, Lise,
und wir werden für unser ganzes Leben frei sein. Um sich mit der Welt abzufinden und völlig frei zu werden,
il faut pardonner, pardonner et pardonner!«
    »Aber warum fallen Sie auf die Knie?«
    »Weil ich, bei meinem Abschiede von der Welt, in Ihrer Person auch von meiner ganzen Vergangenheit Abschied nehmen will!« Er fing an zu weinen und führte ihre beiden Hände an seine tränenfeuchten Augen. »Ich knie nieder vor allem, was in meinem Leben schön war, küsse es und danke ihm! Jetzt habe ich mich in zwei Hälften auseinandergeschlagen: dort ist der sinnlose Tor, der davon träumte, in den Himmel zu fliegen,
vingt-deux ans!
Hier ein niedergebeugter, durchfrorener alter Hauslehrer ...
chez ce marchand, s'il existe pourtant ce marchand
... Aber wie durchnäßt Sie sind,
Lise!
« rief er und sprang auf die Füße, da er fühlte, daß auch seine Knie auf der nassen Erde feucht wurden. »Und wie ist es möglich: Sie in einem solchen Kleide? ... Und zu Fuß ... und auf freiem Felde? ... Sie weinen?
Vous êtes malheureuse?
Ach ja, ich habe etwas gehört ... Aber woher kommen Sie jetzt?« fragte er hastig mit ängstlicher Miene und betrachtete mit tiefem Staunen Mawriki Nikolajewitsch;
»mais savez-vous l'heure qu'il est?«
    »Stepan Trofimowitsch, haben Sie etwas über Leute gehört, die dort ermordet sein sollen? ... Ist das wahr? Ist das wahr?«
    »Diese Menschen! Ich habe die Brandröte ihrer Taten die ganze Nacht über gesehen. Zu einem solchen Ende mußte ihr Tun notwendig führen ...« (Seine Augen begannen wieder zu funkeln.) »Ich flüchte hinweg aus den Wahnvorstellungen eines Fiebertraumes; ich flüchte, um Rußland zu suchen;
existe-t-elle la Russie? Bah, c'est vous, cher capitaine!
Ich habe nie daran gezweifelt, daß ich Ihnen irgendwo bei einer hochherzigen Tat begegnen würde ... Aber nehmen Sie meinen Schirm, und ... warum gehen Sie denn durchaus zu Fuß? Ich bitte Sie dringend, nehmen Sie wenigstens den Schirm; ich werde mir ja doch sowieso einen Wagen nehmen. Ich gehe ja nur deswegen zu Fuß, weil
Stasie
(das heißt Nastasja) es in der ganzen Straße ausgeschrien haben würde, wenn sie erfahren hätte, daß ich wegführe; ich habe mich daher auch möglichst inkognito fortgeschlichen. Ich weiß nicht, da im Golos schreiben sie von Räubereien, die überall vorkämen; aber ich denke, es ist doch wohl nicht möglich, daß sofort, wenn ich auf die

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