Die Dämonen
Landstraße komme, ein Räuber dasteht.
Chère Lise,
Sie sagten ja wohl, es hätte jemand einen ermordet?
O mon Dieu,
Ihnen ist nicht wohl!«
»Gehen wir, gehen wir!« schrie Lisa krampfhaft und zog wieder Mawriki Nikolajewitsch hinter sich her. »Warten Sie, Stepan Trofimowitsch,« wandte sie sich plötzlich an diesen; »warten Sie, Sie Armer, ich möchte Sie bekreuzen. Vielleicht wäre es besser, Sie zu binden; aber ich will Sie doch lieber bekreuzen. Beten auch Sie für die arme Lisa, – nur ein klein bißchen; bemühen Sie sich nicht zu sehr! Mawriki Nikolajewitsch, geben Sie diesem Kinde seinen Regenschirm wieder, geben Sie ihn ihm unter allen Umständen! So ist's recht! Nun kommen Sie, kommen Sie!«
Die Ankunft der beiden bei dem Unglückshause erfolgte gerade zu dem Zeitpunkte, als die Menge, die dicht gedrängt vor dem Hause stand, schon genug über Stawrogin und über den Nutzen, den ihm die Ermordung seiner Frau bringe, gehört hatte. Aber (ich wiederhole, was ich schon früher gesagt habe) die weit überwiegende Mehrzahl hörte schweigend und regungslos zu. Es ereiferten sich nur einige betrunkene Schreier und ein paar jähzornige Menschen. Zu den letzteren gehörte namentlich ein Kleinbürger, der heftig mit den Armen gestikulierte. Alle kannten ihn als einen sogar ruhig zu nennenden Menschen; aber sobald ihn etwas irgendwie erregte, pflegte er aus Rand und Band zu kommen und blind drauflos zu stürmen. Zuerst bemerkte ich, starr vor Erstaunen, Lisa, die weit von mir entfernt in der Menge steckte; Mawriki Nikolajewitsch dagegen konnte ich zuerst überhaupt nicht herausfinden. Es mochte gerade ein Augenblick sein, wo er wegen des Gedränges ein paar Schritte hinter ihr zurückgeblieben war, oder wo man ihn von ihr weggeschoben hatte. Lisa, die, ohne etwas um sich herum zu sehen oder wahrzunehmen, wie eine Fiebernde, wie eine aus dem Krankenhause Entsprungene sich durch die Menge hindurchdrängte, zog natürlich nur zu bald die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich: die Menge begann laut über sie zu reden und zu murren. Da rief jemand: »Das ist die Stawroginsche!« Und von einer andern Seite wurde geschrien: »Nicht genug, daß sie morden, sie kommen auch noch her, um sich die Ermordeten anzusehen!« Auf einmal sah ich, daß über ihrem Kopfe von hinten ein Arm sich erhob und niederfiel; Lisa sank zu Boden. Mawriki Nikolajewitsch stieß einen furchtbaren Schrei aus, stürzte zur Hilfe herbei und stieß mit aller Kraft einen Menschen beiseite, der zwischen ihm und Lisa stand. Aber in demselben Augenblicke umfaßte ihn von hinten jener Kleinbürger mit beiden Armen. Eine Zeitlang war es unmöglich, in dem entstehenden Gewühl etwas zu unterscheiden. Es scheint, daß Lisa sich erhob, aber von einem zweiten Schlage getroffen wieder niederfiel. Auf einmal trat die Menge auseinander, und es bildete sich ein kleiner freier Kreis um die daliegende Lisa; über sie gebeugt stand der blutende, fast wahnsinnige Mawriki Nikolajewitsch da, schreiend, weinend und die Hände ringend. Ich erinnere mich nicht genau der Einzelheiten, wie die Sache weiter verlief; ich erinnere mich nur, daß Lisa auf einmal fortgetragen wurde. Ich lief hinter ihr her; sie war noch am Leben und vielleicht sogar noch bei Bewußtsein. Aus der Menge wurden der Kleinbürger und noch drei Personen festgenommen. Die drei letzteren bestreiten bis jetzt, sich irgendwie an der Übeltat beteiligt zu haben, und behaupten hartnäckig, sie seien irrtümlich arretiert worden; vielleicht sagen sie die Wahrheit. Der Kleinbürger ist zwar klar überführt; aber als ein Mensch ohne rechten Verstand vermag er noch nicht das Geschehene ordentlich auseinanderzusetzen. Auch ich mußte, da ich, wiewohl nur aus der Ferne, Augenzeuge gewesen war, bei der Untersuchung meine Aussage machen: ich erklärte, das Ganze sei im höchsten Grade das Produkt von Zufällen; die Tat sei von Leuten begangen, die zwar vielleicht aufgehetzt worden seien, aber wenig Bewußtsein von dem, was sie taten, gehabt hätten und betrunken und urteilslos gewesen wären. Und an dieser Auffassung halte ich auch jetzt noch fest.
Fußnoten
1 Von Druschinin.
Anmerkung des Übersetzers
Viertes Kapitel.
Der letzte Beschluß.
I.
An diesem Tage sahen viele Peter Stepanowitsch; diejenigen, die ihn gesehen hatten, erinnerten sich, daß er sich in höchst aufgeregtem Zustande befunden hatte. Um zwei Uhr nachmittags kam er zu Gaganow gelaufen, der erst am Tage zuvor vom Lande
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