Die Dämonen
verfaßt?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Ich glaube auch, daß das Gedicht ›Eine glänzende Persönlichkeit‹ das kläglichste Machwerk ist, das es überhaupt nur geben kann, und unmöglich von Herzen herrührt.«
»Sie reden Unsinn; das Gedicht ist gut.«
»Ich wundere mich zum Beispiel auch darüber,« fuhr Liputin fort, während er immer, mühsam atmend, nebenher galoppierte, »daß man uns zu einer Handlungsweise auffordert, bei der alles zusammenstürzt. In Westeuropa ist der Wunsch, daß alles zusammenstürzen möge, ein natürlicher, weil es da ein Proletariat gibt; aber wir hier sind nur Liebhaber und tun meiner Ansicht nach nur groß.«
»Ich meinte, Sie seien ein Anhänger Fouriers.«
»Bei Fourier steht etwas anderes, etwas ganz anderes.«
»Ich weiß, daß da Unsinn steht.«
»Nein, bei Fourier steht kein Unsinn ... Nehmen Sie es mir nicht übel, ich kann aber schlechterdings nicht glauben, daß im Mai ein Aufstand stattfinden wird.«
Liputin knöpfte sich sogar den Rock auf; so heiß war ihm geworden.
»Nun genug davon!« sagte Peter Stepanowitsch, indem er mit der größten Kaltblütigkeit zu einem andern Gegenstande übersprang; »ehe ich es vergesse: dieses Blatt haben Sie eigenhändig zu setzen und zu drucken. Wir werden Schatows Druckerei ausgraben, und Sie werden sie gleich morgen übernehmen. Sie werden die Proklamationen mit möglichster Beschleunigung setzen, möglichst viele Exemplare abziehen und sie dann den ganzen Winter über verbreiten. Über die Mittel und Wege werden Sie belehrt werden. Es sind recht viele Exemplare erforderlich, weil man Ihnen von anderen Orten aus welche abverlangen wird.«
»Nein, entschuldigen Sie; ich kann eine solche... einen solchen Auftrag nicht übernehmen ... Ich weigere mich.«
»Und doch werden Sie ihn übernehmen. Ich handle nach der mir vom Zentralkomitee erteilten Instruktion, und Sie müssen gehorchen.«
»Ich glaube aber, daß unsere ausländischen Zentralen ganz vergessen haben, wie es in Rußland wirklich steht, und jede Fühlung verloren haben und darum nur dummes Zeug reden ... Ich glaube sogar, daß statt vieler Hunderte von Fünferkomitees in Rußland wir das einzige sind, und daß ein Netz überhaupt nicht existiert,« sagte Liputin endlich keuchend und atemlos.
»Um so verächtlicher ist Ihre Handlungsweise, wenn Sie, ohne an die Sache zu glauben, ihr doch nachgelaufen sind ... und jetzt mir nachlaufen wie ein gemeiner Köter.«
»Nein, ich laufe Ihnen nicht nach. Wir haben das volle Recht, uns von Ihnen loszusagen und eine neue Gesellschaft zu bilden.«
»Dumm-kopf!« rief Peter Stepanowitsch laut und drohend mit funkelnden Augen.
Beide blieben eine Zeitlang stehen und sahen einander an; dann drehte sich Peter Stepanowitsch um und setzte voll Selbstgefühl seinen früheren Weg fort.
Seinem Begleiter Liputin schoß wie ein Blitz ein Gedanke durch den Kopf:
»Ich werde mich umdrehen und zurückgehen; wenn ich mich jetzt nicht umdrehe, werde ich niemals zurückgehen.«
So dachte er genau zehn Schritte lang; aber beim elften Schritte flammte eine neue, tolle Idee in seinem Kopfe auf, und er drehte sich nicht um und ging nicht zurück.
Sie näherten sich dem Filippowschen Hause; aber noch ehe sie ganz hingelangt waren, schlugen sie ein Seitengäßchen oder, richtiger gesagt, einen kaum bemerkbaren Fußsteig an einem Zaune entlang ein, so daß sie sich eine Zeitlang auf der steilen Böschung eines Grabens fortarbeiten mußten, wo die Füße keinen Halt fanden und sie genötigt waren, sich mit den Händen am Zaune festzuhalten. Im dunkelsten Winkel des schief gewordenen Zaunes nahm Peter Stepanowitsch ein Brett heraus; es entstand eine Öffnung, durch die er sofort hindurchkroch. Liputin war verwundert, kroch aber ebenfalls hindurch; darauf wurde das Brett wieder eingefügt, wie es vorher gewesen war. Dies war jener geheime Zugang, durch welchen Fedka zu Kirillow zu schleichen pflegte.
»Schatow darf nicht wissen, daß wir hier sind,« flüsterte Peter Stepanowitsch dem andern in strengem Tone zu.
III.
Wie immer um diese Stunde saß Kirillow auf seinem Ledersofa beim Tee. Er erhob sich nicht, um die Ankömmlinge zu begrüßen, sondern zuckte mit dem ganzen Körper zusammen und blickte die Eingetretenen unruhig an.
»Sie irren sich nicht,« sagte Peter Stepanowitsch; »ich komme gerade deswegen.«
»Heute?«
»Nein, nein, morgen ... um diese Zeit.«
Er setzte sich eilig an den Tisch und betrachtete mit einiger
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