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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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man nicht. Sie können keine Grammatik.«
    »Aber man redet doch so, Marja; das liegt im Geiste der Sprache,« murmelte Schatow.
    »Ach, gehen Sie mir mit Ihrem Geiste; das ist mir langweilig. Warum wird der hiesige Einwohner oder Leser nicht binden lassen?«
    »Weil ein Buch lesen und ein Buch binden lassen zwei verschiedene, langdauernde Entwicklungsperioden sind. Zuerst lernt der Mensch allmählich ein Buch lesen, natürlich im Laufe von Jahrhunderten; aber er behandelt das Buch schlecht und läßt es umherliegen, weil er es nicht für einen ernst zu nehmenden Besitzgegenstand ansieht. Ein Buch binden zu lassen, das bedeutet schon einen gewissen Respekt vor dem Buche; es bedeutet, daß man Bücher nicht nur gern liest, sondern sie auch als etwas Ernstes, Wichtiges ansieht. Bis zu dieser Periode ist ganz Rußland noch nicht gelangt. In Westeuropa läßt man schon lange binden.«
    »Das ist zwar pedantisch, aber wenigstens nicht dumm gesagt und erinnert mich an die Zeit vor drei Jahren; Sie waren vor drei Jahren manchmal ganz geistreich.«
    »Marja, Marja,« wandte sich Schatow gerührt zu ihr, »o Marja! Wenn du wüßtest, was alles in diesen drei Jahren geschehen und vergangen ist! Ich habe nachher gehört, daß du mich wegen des Wechsels meiner Anschauungen verachtetest. Aber was sind denn das für Menschen, von denen ich mich abgewandt habe? Feinde des lebendigen Lebens, abgelebte Liberale, die vor ihrer eigenen Unabhängigkeit einen Schreck bekommen haben, Lakaien des Gedankens, Feinde der Persönlichkeit und der Freiheit, altersschwache Prediger der Fäulnis und Verwesung! Was ist denn auf ihrer Seite zu finden: Greisenhaftigkeit, goldene Mittelstraße, die spießbürgerlichste, gemeinste Talentlosigkeit, eine neidische Gleichheit, eine Gleichheit ohne eigenes Verdienst, eine Gleichheit, wie ein Lakai sie billigt, oder wie sie die Franzosen von 1793 billigten ... Und, was die Hauptsache ist: überall Schurken, Schurken und Schurken!«
    »Ja, Schurken gibt es viele,« sagte sie kurz; ihrem Tone war anzuhören, daß sie Schmerzen hatte.
    Sie lag ausgestreckt da, regungslos, und als fürchte sie sich vor jeder Bewegung; den Kopf hatte sie auf das Kissen zurücksinken lassen, ein wenig seitwärts; sie blickte mit einem müden, aber heißen Blicke zur Decke hinauf. Ihr Gesicht war blaß, die Lippen waren vertrocknet und brannten.
    »Du stimmst mir bei, Marja, du stimmst mir bei!« rief Schatow.
    Sie wollte eine verneinende Kopfbewegung machen; aber plötzlich wiederholte sich bei ihr der frühere Krampf. Wieder verbarg sie den Kopf in das Kissen, und wieder drückte sie aus aller Kraft eine ganze Minute lang dem herbeilaufenden und vor Schreck sinnlosen Schatow die Hand so stark, daß es diesen schmerzte.
    »Marja, Marja! Aber das ist vielleicht etwas sehr Ernstes, Marja!«
    »Schweigen Sie! ... Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht,« rief sie beinah wütend und drehte sich wieder mit dem Gesichte nach oben. »Sehen Sie mich nicht mit Ihrem mitleidigen Blicke an! Gehen Sie im Zimmer umher, reden Sie etwas, reden Sie ...«
    Ganz fassungslos begann Schatow von neuem etwas zu murmeln.
    »Womit beschäftigen Sie sich hier?« fragte sie, ihn mit mißmutiger Ungeduld unterbrechend.
    »Ich gehe zu einem Kaufmann ins Kontor. Wenn ich es besonders darauf anlegte, könnte ich hier ein gutes Stück Geld verdienen, Marja.«
    »Um so besser für Sie ...«
    »Ach, denke nur nicht etwas dabei, Marja! Ich habe es ohne Absicht gesagt ...«
    »Und was tun Sie sonst noch? Was predigen Sie? Denn ohne zu predigen können Sie ja nicht leben; das liegt nun einmal in Ihrem Charakter!«
    »Ich predige Gott, Marja.«
    »An den Sie selbst nicht glauben. Diese Idee habe ich nie begreifen können.«
    »Lassen wir das jetzt, Marja. Wir können ein andermal darüber reden.«
    »Was war denn diese Marja Timofejewna hier für eine?«
    »Auch das wollen wir für später lassen, Marja.«
    »Solche Bemerkungen verbitte ich mir! Ist es wahr, daß ihr Tod auf ein Verbrechen ... dieser Leute zurückzuführen ist?«
    »Ja, es ist zweifellos so,« erwiderte Schatow zähneknirschend.

    Marja hob plötzlich den Kopf in die Höhe und rief aufgeregt:
    »Erlauben Sie sich nie wieder, zu mir davon zu sprechen, niemals, niemals!«
    Sie sank in einem Anfalle desselben krampfhaften Schmerzes auf das Bett zurück; das war schon zum dritten Male; aber diesmal wurde das Stöhnen lauter und verwandelte sich in ein Schreien.
    »Oh, Sie unerträglicher Mensch!

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