Die Dämonen
natürlich nur um der »gemeinsamen Sache«, der »großen Sache« willen. Aber auch diese Klausel war ganz bedeutungslos, da geistig beschränkte Fanatiker wie Erkel das »einer Idee Dienen« nicht anders begreifen können, als indem sie diese Idee mit der Person selbst vermischen, in der nach ihrer Vorstellung die Idee zum Ausdruck kommt. Der gefühlvolle, freundliche, gutherzige Erkel war vielleicht der gefühlloseste der Mörder, die über Schatow herfallen wollten, und war imstande, ohne allen persönlichen Haß, ohne mit den Wimpern zu zucken, an dessen Ermordung teilzunehmen. Es war ihm zum Beispiel befohlen worden, bei Ausführung seines Auftrages unter anderm Schatows gesamte Verhältnisse genau ins Auge zu fassen, und als Schatow ihn oben an der Treppe empfing und in der Erregung, wahrscheinlich ohne es zu bemerken, sich die Mitteilung entschlüpfen ließ, daß seine Frau zu ihm zurückgekehrt sei, da wurde Erkel durch seine instinktive Schlauheit sofort davon zurückgehalten, auch nur die geringste weitere Neugier zu bekunden, obwohl in seinem Kopfe der Gedanke aufblitzte, daß diese Tatsache, die Rückkehr von Schatows Frau, für das Gelingen ihres Unternehmens die größte Bedeutung habe ...
Und so war es wirklich: einzig und allein diese Tatsache rettete die »Schurken« vor Schatows Absicht, sie ans Messer zu liefern, und half ihnen gleichzeitig, sich von ihm zu befreien ... Erstens versetzte diese Tatsache Schatow in Aufregung, warf ihn aus dem Geleise und benahm ihm seine gewöhnliche Achtsamkeit und Vorsicht. Ein Gedanke an seine eigene Sicherung konnte jetzt am allerwenigsten in seinem von ganz anderen Dingen angefüllten Kopfe Platz finden. Vielmehr glaubte er ohne weiteres, daß sich Peter Werchowenski am folgenden Tage davonmachen werde: das stimmte so ganz zu seinen Mutmaßungen! Als er in das Zimmer zurückgekehrt war, setzte er sich wieder in eine Ecke, stützte die Ellbogen auf die Knie und verbarg das Gesicht in den Händen. Bittere Gedanken quälten ihn ...
Dann erhob er von neuem den Kopf, stand auf und ging auf den Fußspitzen hin, um sie zu betrachten.
»O Gott! Gewiß wird gleich morgen früh bei ihr ein hitziges Fieber zum Ausbruch kommen; vielleicht hat es schon jetzt angefangen! Sicherlich hat sie sich erkältet. Sie ist an dieses schreckliche Klima nicht gewöhnt, und dann die Fahrt im Waggon dritter Klasse, ringsum Sturm und Regen; und sie hat nur so einen leichten Burnus, gar keinen ordentlichen Mantel ... Und da sollte ich mich ihr versagen, mich, ohne ihr zu helfen, von ihr abwenden? Und ihre Reisetasche, ach, die ist so winzig, so leicht, so voller Falten, nur zehn Pfund schwer! Die Arme, wie erschöpft sie ist; wieviel muß sie ertragen haben! Sie ist stolz; daher klagt sie nicht. Aber sie ist reizbar, sehr reizbar! Das macht die Krankheit: auch ein Engel wird reizbar, wenn er krank ist. Wie trocken und gewiß auch heiß ist ihre Stirn; wie dunkel sie unter den Augen aussieht, und ... und wie schön ist doch dieses Oval des Gesichtes, und dieses üppige Haar; wie ...«
Schnell wandte er die Augen ab, schnell ging er von ihr weg, als erschräke er schon über den bloßen Gedanken, in ihr etwas anderes zu sehen als ein unglückliches, zermartertes Wesen, dem er helfen müsse.
»Wie dürfte ich da für mich Hoffnungen hegen! O wie niedrig, wie gemein ist der Mensch!«
Und er ging wieder in seinen Winkel, setzte sich hin, verbarg das Gesicht in den Händen und gab sich wieder seinen Träumereien und Erinnerungen hin ... und wieder flimmerten vor seinem geistigen Blicke Hoffnungen auf.
»Ach, sie ist müde; ach, sie ist müde!« dachte er in Erinnerung an ihre Ausrufe und an ihre schwache, versagende Stimme. »O Gott! Wie kann ich sie jetzt im Stich lassen, und sie hat nur achtzig Kopeken; sie hat mir ja ihr altes, winziges Portemonnaie hingehalten! Sie ist hergereist, um sich eine Stelle zu suchen, – nun, was versteht sie denn von Stellen, was versteht sie denn von Rußland? Sie ist ja wie ein eigensinniges Kind; alles sind bei ihr nur eigene, selbstgeschaffene Phantasiegebilde; und dann ärgert sie sich, die Arme, daß Rußland ihren ausländischen Träumereien nicht ähnelt! O die Unglückliche, o die Schuldlose! ... Aber es ist hier wirklich kalt ...«
Er erinnerte sich, daß sie über Kälte geklagt und er versprochen hatte, den Ofen zu heizen.
»Holz ist da; das kann ich holen; ich darf sie nur nicht wecken. Das wird schon gehen. Aber wie soll es mit dem
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