Die Dämonen
übel; aber ich bin schlechterdings außerstande ...«
Ganz fassungslos machte er die Luftscheibe von neuem zu; aber Schatow erhob ein solches Gebrüll, daß er den Kopf sofort wieder heraussteckte.
»Aber das ist ja ein vollständiger Überfall! Was verlangen Sie denn von mir? Nun? Sagen Sie es in klaren Worten! Und ausgerechnet, ausgerechnet mitten in der Nacht!«
»Fünfzehn Rubel verlange ich, Sie Schafskopf!«
»Aber vielleicht habe ich gar keine Lust, den Revolver zurückzunehmen. Sie haben kein Recht, das zu verlangen. Sie haben einen Gegenstand gekauft, und damit ist das Geschäft erledigt, und Sie haben weiter kein Recht. Ich kann eine solche Summe bei Nacht absolut nicht bezahlen; wo soll ich eine solche Summe herbekommen?«
»Sie haben immer Geld; ich habe Ihnen zehn Rubel abgelassen; aber Sie sind der richtige Geldjude!«
»Kommen Sie übermorgen; hören Sie wohl? Übermorgen mittag Punkt zwölf, und dann will ich Ihnen alles geben, alles; ist's Ihnen so recht?«
Schatow schlug zum drittenmal wütend an das Fenster.
»So geben Sie jetzt zehn Rubel und morgen bei Tagesanbruch die andern fünf!«
»Nein, übermorgen mittag fünfzehn; aber morgen werde ich, bei Gott, noch kein Geld haben. Kommen Sie lieber nicht her; kommen Sie lieber nicht her!«
»Geben Sie zehn! O Sie Schuft!«
»Warum schimpfen Sie denn so? Warten Sie, ich muß erst Licht machen; sehen Sie, Sie haben eine Scheibe zerschlagen ... Wer schimpft denn so bei Nacht? Da!« Er reichte ihm eine Banknote durch das Fenster.
Schatow nahm sie; es war ein Fünfrubelschein.
»Bei Gott, mehr kann ich nicht, und wenn Sie mich totschlagen; ich kann nicht; übermorgen werde ich alles können; aber jetzt kann ich nichts.«
»Ich gehe nicht weg!« brüllte Schatow.
»Nun, da nehmen Sie, da ist noch etwas; sehen Sie, noch etwas; aber mehr gebe ich nicht. Na, wenn Sie auch aus vollem Halse schreien, ich gebe nicht mehr; mag geschehen, was will, ich gebe nicht mehr; ich gebe nicht mehr, und ich gebe nicht mehr!«
Er schien ganz außer sich, ganz verzweifelt zu sein; der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die beiden Scheine, die er noch herausgereicht hatte, waren Rubelnoten. Im ganzen hatte Schatow sieben Rubel bekommen.
»Na, hol Sie der Teufel; morgen komme ich wieder. Ich schlage Sie zu Schanden, Ljamschin, wenn Sie die acht Rubel nicht in Bereitschaft haben.«
»Aber ich werde nicht zu Hause sein, Dummkopf!« dachte Ljamschin schnell im stillen.
»Halt, halt!« schrie er dem bereits davonlaufenden Schatow aufgeregt nach. »Halt, kehren Sie noch einmal um! Sagen Sie, bitte, haben Sie die Wahrheit gesagt, daß Ihre Frau zu Ihnen zurückgekehrt ist?«
»Dummkopf!« rief Schatow zurück, spuckte aus und lief, so schnell er konnte, nach Hause.
IV.
Ich bemerke, daß Arina Prochorowna von den Beschlüssen, die am vorhergehenden Tage in der Sitzung gefaßt waren, nichts wußte. Als Wirginski verstört und angegriffen nach Hause zurückgekehrt war, hatte er nicht gewagt, ihr die getroffene Entscheidung mitzuteilen, sich aber doch nicht enthalten können, ihr die Hälfte zu offenbaren, nämlich alles das, was ihnen Werchowenski über Schatows zweifellose Absicht einer Denunziation gesagt hatte; aber zugleich hatte er erklärt, daß er der Nachricht nicht völlig Glauben schenke. Arina Prochorowna hatte einen gewaltigen Schreck bekommen. Dies war der Grund, weshalb sie, als Schatow angelaufen kam, um sie zu holen, trotz ihrer Müdigkeit, da sie sich die ganze vorhergehende Nacht über mit einer Gebärenden abgeplagt hatte, sich dennoch unverzüglich entschloß hinzugehen. Sie war immer überzeugt gewesen, daß »ein so elendes Subjekt wie Schatow zu einer Gemeinheit gegen seine Mitbürger fähig sei«; aber infolge von Marja Ignatjewnas Ankunft erschien ihr die Sache doch in einem andern Lichte. Schatows Angst, der verzweifelte Ton seiner Bitten, sein Flehen um Hilfe bekundeten einen Umschwung in der Gesinnung des Verräters: ein Mensch, der entschlossen ist, sogar sich selbst preiszugeben, nur um andere zugrunde zu richten, der würde, meinte sie, eine andere Miene und einen andern Ton haben, als sie Schatow in Wirklichkeit hatte. Kurz gesagt, Arina Prochorowna nahm sich vor, alles selbst mit eigenen Augen anzusehen. Wirginski war mit ihrem Entschlusse sehr zufrieden; es war ihm, als sei ihm eine Zentnerlast vom Herzen gefallen! Es regte sich bei ihm sogar eine Hoffnung: Schatows Miene schien ihm zu Werchowenskis Vermutung absolut nicht zu
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